Blauer Genuss

Blauer Genuss

Zeit ist das Zauberwort, wenn es um einen traditionellen, blauen Tiroler Genuss geht. Die Moosbeernocken. Eine Speise, die bereits früher auf den Almen äußerst beliebt war, da wenige Zutaten benötigt werden. Im Grunde ein schnelles Gericht, nur für das Moosbeerpflücken und das Abbraten braucht man Geduld, viel Geduld.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPhoto/Florian Egger
Das Rezept für den traditionellen Tiroler Genuss hat Karoline Lanzinger von ihrer Mutter übernommen. Wobei es eigentlich gar kein Rezept gibt. »Moosbeeren mache ich wie schon meine Mama nach Gefühl. Das Entscheidende: Der Teig darf nicht zu fest sein, sonst schmecken die Nocken gleich einmal pappig«, erklärt die leidenschaftliche Bäuerin, die an sich nie Bäuerin werden wollte. »Ich habe immer gesagt: Ich heirate keinen Bauern. Dann lernte ich meinen Mann kennen«, lacht Karoline. Mit ihm zog nicht nur die Landwirtschaft in ihr Leben ein, sondern auch der Pensionsbetrieb. Und so wechselte Karoline vom Büro in den Stall und an den Herd, denn für ihre Urlaubsgäste kreiert die Itterin neben dem Frühstück auch das Abendessen. Ich habe schon immer leidenschaftlich gerne gekocht, das kommt mir jetzt natürlich zugute. Und mit diesen Worten schaltet sie ihre Mühle ein. Das Mehl für ihre Moosbeeren mahlt Karoline nämlich selbst.

Meditation in Blau

»Ich verwende immer Vollkornmehl frisch aus der Mühle, weil es gesünder ist und auch besser schmeckt. Hochwertige Zutaten sind mir generell wichtig. Bei den Moos- beernocken achte ich aber noch mehr da-rauf, nachdem das Pflücken der Beeren schon so viel Arbeit ist«, erzählt Karoline. Für sie ist es nämlich selbstverständlich, dass nur Moosbeernocken auf den Tisch kommen, wenn die Beeren selbstgepflückt sind. Schon als Kind ist sie gemeinsam mit ihren Geschwistern und Eltern zum Moosbeerpflücken losgezogen. »Und das Brocken, wie wir sagen, das dauert eben.« Längst hat sie ihre speziellen Platzerl am Bruggberg. »Trotzdem dauert es, bis man genügend beisammen hat. Doch man muss sich nur einreden, dass man beim Brocken perfekt relaxen kann, so mitten im Grünen«, kommt es mit einem Augenzwinkern. »Wobei es wirklich ein schönes Gefühl ist, in der Natur die Zutaten für ein so leckeres Essen zu sammeln, dabei entsteht eine ganz andere, zusätzliche Genussseite.«

Die Prise Salz

In die Mehl-Milch-Mischung kommt eine Prise Salz. Das A und O für Karoline. »Wenn ich das Salz weglasse, schmecke ich das sofort. Lieber zwei Prisen als keine.« Weg lässt sie dafür bei frischen Moosbeeren das Ei. »Die klassische Zubereitung ist ohne Ei und so schmecken sie auch am besten. Viele glauben, die Nocken halten dann nicht zusammen, doch das stimmt nicht. Das Ei braucht es wirklich nur bei gefrorenen Beeren.« Die Eier kommen dabei genauso wie die Milch direkt vom eigenen Hof, der seit einem Jahr über einen Freilaufstall mit nach vorne hin offenem Freibereich für die Kühe verfügt.

Langsam, ganz langsam

Mit einem Esslöffel setzt die Bäuerin kleine Häufchen in die Pfanne, in der die Butter inzwischen geschmolzen ist. Jetzt heißt es geduldig sein, denn die Moosbeernocken werden bei niedriger Temperatur gebraten. »Bei zu hoher Hitze verbrennen sie außen und sind innen noch roh.« Dicht an dicht liegen die Moosbeeren in den kleinen Teighäufchen. »Das ist wichtig. Wenn du die Moosbeeren zählen kannst, sind es keine Moosbeernocken«, scherzt sie und schneidet einen Apfel in schmale Spalten. Die Deko für das Teller. Ihre Speisen schön anzurichten, gehört für Karoline zu einem gelungenen Essen unbedingt dazu. Kurz vor dem Servieren kommt Staubzucker auf die Moosbeernocken und im Winter schwört Karoline auf einen Hauch Zimt. »Auf die Idee kam ich einmal zu Weihnachten.« Serviert wird die Tiroler Traditionsspeise ganz klassisch mit einem Glas Milch. »Das rundet den Genuss perfekt ab.« Mahlzeit!

Türe in die Vergangenheit

Der Vorraum ist geprägt durch das alte Holz an Wänden, der Decke und am Boden sowie dem riesigen Ofen, der von hier aus eingeheizt wird. Über zwei Stufen geht es hinein in die Stube, die direkt gegenüber der Küche liegt. »Zwei Stufen, da der Hof auf dem schrägen Gelände errichtet wurde. So hat man früher Unebenheiten am Bauplatz ausgeglichen«, erklärt der Altbauer. Durch die Türspalte scheint das Tageslicht leicht in
den Gang hinein. Der Türrahmen ist kunstvoll geschnitzt, genauso wie bei den Zimmereingängen im oberen Stock. Ein Griff zur alten Klinke und der Blick in die Vergangenheit wird frei. Die Zeit scheint hier herinnen stehen geblieben zu sein. Altholz an den Wänden, Decken und Boden. Der typische Kachelofen mit den charakteristischen tannengrünen Kacheln. Die Stromleitungen sind ganz klassisch am Holz fixiert. Ganz hinten in der Ecke, direkt über dem runden Bauerntisch, ist der Herrgottswinkel eingerichtet. Ein Stück, auf das die Familie besonders stolz ist.

Rezept:

Zutaten:
200 g Mehl
180 ml Milch
1 Ei (nur wenn die Moosbeeren gefroren sind, bei frischen Beeren ohne Ei)
1 Prise Salz
750 g Moosbeeren
Butter zum Abbraten

Zubereitung:

1. Mehl und Milch verrühren und eine oder zwei Prisen Salz hinzufügen.
2. Wenn die Moosbeeren gefroren sind, ein Ei unterrühren,
ansonsten entfällt dieser Punkt.
3. Die Moosbeeren unterheben und gut durchmischen.
4. Butter in einer Pfanne erwärmen.
5. Sobald die Pfanne heiß und die Butter geschmolzen ist, mit einem Esslöffel kleine Häufchen Moosbeerteig in die Pfanne geben, leicht flach drücken und auf kleiner Stufe anbraten lassen.
6. Wenn der Teig stockt, die Moosbeernocken vorsichtig wenden.
7. Die fertigen Moosbeeren werden mit Staubzucker bestreut.

Untereggenhof

Hoch über Reite

Eineinhalb Kilometer oberhalb von Reith liegt idyllisch mitten im Grünen der Untereggerhof. Ein Ort, an dem Familie großgeschrieben und der Schnaps selbst gebrannt wird. Sogar Soko Kitzbühel machte schon halt im Bauernhaus, dessen Alter niemand so genau kennt, und verwandelte die Stube aus der Zeit Maria Theresias vollkommen.

Es geht nach oben, hinein in den Wald. Eine Kurve folgt der anderen. Die Straße ist längst schneebedeckt und außer Sträuchern und Bäumen ist nichts mehr zu sehen. Doch die Anfahrtsbeschreibung war klar: Immer nach oben, auch wenn ihr glaubt, da kommt nichts mehr. Und wirklich. Eine letzte Kurve, der Wald öffnet sich, schneebedeckte Wiesen werden sichtbar und die Rückseite des Untereggerhofs der Familie Adelsberger. Lautstarkes Bellen schallt über das Hofgelände. Sekunden später erscheinen zwei Pfoten, eine Schnauze und zwei lustig wackelnde Ohren an der halbhohen Stalltür. Lucy, der Hofhund.

 

Großfamilie

Tannengrün, Weiß und der warme, braune Farbton des Holzes verschmelzen zu einem harmonischen Ganzen. Das Holz stapelt sich vor und neben dem Bauernhaus. Die Küche gleich links von der Eingangstüre ist heimelig warm und gemütlich-modern eingerichtet. »Irgendwann musste einmal etwas Neues her«, lacht Christl Adelsberger, die vor 32 Jahren zu ihrem Mann Thomas auf den Hof hoch über Reith zog. Bis zum Frühjahr bewirtschafteten die beiden den Hof, seither hat ihn ihr ältester Sohn Thomas jun. gepachtet. »Wir helfen aber trotzdem

»Unsere Stube ist noch aus der Zeit von Maria Theresia.«

Christl Adelsberger, Reith

mit, so gut es geht, eine Familie hält einfach zusammen«, erklärt Thomas, und sein Sohn sowie dessen Freundin Sandra nicken bestätigend. Die Familie wurde am Untereggerhof immer schon großgeschrieben. Vier Geschwister von Thomas lebten noch im Haus, als Christl einzog, dann folgten ihre eigenen fünf Kinder. »Zu Spitzenzeiten wohnten hier drei Generationen, 14 Familienmitglieder.« Eng war es zu der Zeit, aber dabei hat sich niemand etwas gedacht. Nichtsdestotrotz stockten die Bauersleute schließlich den Hof auf. Dabei fanden sie über eine Inschrift auch heraus, dass das Bauernhaus bereits schon 1780 erweitert wurde. Wann das Anwesen errichtet wurde, das geht jedoch nirgends hervor.

Türe in die Vergangenheit

Der Vorraum ist geprägt durch das alte Holz an Wänden, der Decke und am Boden sowie dem riesigen Ofen, der von hier aus eingeheizt wird. Über zwei Stufen geht es hinein in die Stube, die direkt gegenüber der Küche liegt. »Zwei Stufen, da der Hof auf dem schrägen Gelände errichtet wurde. So hat man früher Unebenheiten am Bauplatz ausgeglichen«, erklärt der Altbauer. Durch die Türspalte scheint das Tageslicht leicht in
den Gang hinein. Der Türrahmen ist kunstvoll geschnitzt, genauso wie bei den Zimmereingängen im oberen Stock. Ein Griff zur alten Klinke und der Blick in die Vergangenheit wird frei. Die Zeit scheint hier herinnen stehen geblieben zu sein. Altholz an den Wänden, Decken und Boden. Der typische Kachelofen mit den charakteristischen tannengrünen Kacheln. Die Stromleitungen sind ganz klassisch am Holz fixiert. Ganz hinten in der Ecke, direkt über dem runden Bauerntisch, ist der Herrgottswinkel eingerichtet. Ein Stück, auf das die Familie besonders stolz ist.

Maria Theresia trifft Soko Kitzbühel

»Die Stube ist aus der Zeit von Maria Theresia«, erklärt Christl und fügt hinzu, dass hier herinnen sogar schon für eine Folge von Soko Kitzbühel gedreht wurde. »Sie haben den Raum komplett ausgeräumt und in eine Küche verwandelt, wir haben unsere Stube nicht mehr wiedererkannt. Da war was los am Hof«, erzählt sie lachend. Aus der Zeit von Maria Theresia stammt auch das Brennrecht des Hofs. »Wie das Haus wird auch die alte Brennanlage ausschließlich mit Holz beheizt, deshalb heißt es extra aufpassen, damit nichts anbrennt. Früher, als wir noch mehr Obst hatten, mussten wir uns abwechseln, um die Anlage zu beaufsichtigen. Und das hat gedauert, Tag und Nacht, da wir durch das offene Feuer nur sehr langsam brennen konnten. Da war es gut, dass so viele Leute am Hof lebten«, schmunzelt Christl. Spelling und Äpfel landen im Brenner. Ab und an auch Zwetschgen, doch die werden meist gedörrt, damit Christl genügend Zutaten für ihr Klotzenbrot hat, das sie jeden Winter wieder zubereitet.