Haubenreiche Kaiserregion
Ein Gespräch mit Gault-Millau-Herausgeberin Martina Hohenlohe.
Tirol präsentierte sich im Vorjahr bei den Auszeichnungen des Gault Millaus einmal mehr als kulinarischer Hotspot Österreichs. Im Erscheinungsgebiet der Wilden Kaiserin – Ellmau, Going, Itter, Reith bei Kitzbühel, Scheffau und Söll – landeten sechs Genusshauben. Ein Blick hinter die kaiserliche Haubenkulisse mit Genussexpertin Martina Hohenlohe.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: Philipp Lipiarski
Der »Kaiserhof« und das Restaurant
»Der Bär« in Ellmau, »s’Pfandl« in Reith bei Kitzbühel und das Biohotel Stanglwirt in Going – was die vier Lokale eint, sind ihre Hauben. Eine bzw. zwei der begehrten Auszeichnungen des Gault Millaus erhielten sie Ende 2019 für ihre kulinarischen Genüsse. Vier Hauben-
lokale in sechs Orten entlang des Wilden Kaisers. Keine großen Städte. Schon gar keine Metropolen. Nein, sechs Dörfer. Ein Blick etwas weiter ringsum zeichnet ein ähnliches Bild. Tirols höchstbewertetes Lokal ist mit dem Rosengarten Taxacher und Spitzenkoch Simon
Taxacher im 4000-Seelen-Ort Kirchberg zu finden. Martina Hohenlohe, die gemeinsam mit ihrem Mann den Gault
Millau herausgibt, überrascht dies wenig. »Das ist durchaus ein österreichisches Phänomen, dass ausgesprochen viele Hauben-Restaurants am Land angesiedelt sind. Die Brüder Rudi und Karl Obauer kochen schon lange an der Genussspitze und ihr Lokal in Werfen liegt alles andere als im urbanen Umfeld. Im Gegensatz dazu hatten wir in Wien jahrelang kein Haubenrestaurant. Erst in den vergangenen drei Jahren zog
Österreichs Bundeshauptstadt kulinarisch nach«, so Martina Hohenlohe, für die der Grund an dieser ländlichen Häufung durchaus an der sehr starken regionalen Orientierung der Küchen liegt.
Regionaler Magnet
»Nicht nur bei den Zutaten, auch bei den Speisen wird immer wieder die österreichische Küche zitiert. Damit sprechen die Köche natürlich das heimische Publikum an und erhalten so selbst in ländlichen Gegenden starken Zustrom. Und das ist unbedingt notwendig, denn die lokale Bevölkerung ist ungemein wichtig für Restaurants. Vom Tourismus alleine kann ein Gastronom nur schwer überleben.« Auch die Häufung von Hauben in Tirol, die das westliche Bundesland durchaus in einen kulinarischen Hotspot Österreichs verwandeln, verwundert die Genussexpertin kaum. »Tirol ist auf jeden Fall ein kulinarischer Hotspot. Das hängt sicher stark mit dem Tourismus zusammen. Hier gibt es zum einen durch die Urlauber und natürlich auch durch die Einheimischen ein recht großes Publikum, das gerne eine ausgezeichnete Küche genießt. Dadurch hat sich über die Jahre eine lebhafte kulinarische Szene entwickelt. In der Region um den Wilden Kaiser zeigt sich das sehr deutlich. In unmittelbarer Nähe sind gleich vier haubengekrönte Küchen zu finden.« Es ist auffällig, so die Herausgeberin, dass in Tourismusgebieten, allen voran in den Skiregionen, auch viele Vier- und Fünf-Hauben-Lokale zum Genießen einladen. »Benjamin Parth, der Koch des Jahres 2019, kocht zum Beispiel in Ischgl auf. In diesen Tiroler Fremdenverkehrs-Gebieten kommt Innovation auf den Teller und das ist ein entscheidender Punkt für eine herausragende Küche.«
»In den ländlichen Regionen Tirols wird kulinarische Innovation aufgetischt.«
Martina Hohenlohe, Mitherausgeberin des Gault Millau
Nudeln oder Hauben
An die zehn Tester schlemmen sich für Gault Millau jährlich durch die Tiroler Spitzengastronomie, wobei darunter nicht nur Tiroler sind. »Nein, auf gar keinen Fall. Unser Konzept beruht auf Anonymität und Tester-Rochaden. Unsere Tester können uns zwar Wunschlisten schicken, darauf darf sich jedoch kein Lokal befinden, das sie in den letzten drei Jahren bewertet haben. Wenn unsere Experten wollen, schicken wir sie quer durch Österreich. So testet ein Tiroler schon einmal im Burgenland und umgekehrt.« Auch Martina Hohenlohe ist mit ihrem Mann und Mitherausgeber Karl Hohenlohe immer wieder auf Genusstour. »Bei der Oberliga schauen wir gerne selbst vorbei. Wir testen sozusagen unsere Tester. Wobei wir generell sehr häufig auswärts essen.« Oft ist das in Tirol und hier in der Region rund um den Kaiser der Fall. »Das liegt einfach auf der Hand. Wir sind fast halbe Tiroler, haben ein Haus in Kitzbühel und verbringen dort viel Zeit.« Nichtsdestotrotz steht Martina Hohenlohe, die schon als Kind für Kochbücher schwärmte, liebend gerne selbst in der Küche. Zweimal am Tag wird für die Großfamilie aufgekocht. Und dabei kennt sie durchaus die Besonderheiten, mit denen Eltern konfrontiert sind. »Unserer 13-jährigen Tochter kannst du keine größere kulinarische Freude machen, als mit ihr in ein Haubenlokal essen zu gehen. Sie liebt kulinarische Experimente. Ihr jüngerer Bruder gehört dagegen der Fraktion ›Ich-esse-nur-Nudeln‹ an«, lacht Martina Hohenlohe, die momentan auch noch als Breiexpertin aktiv ist und ihr Baby mit selbstgekochten Gemüse- und Obstbreien in die Genusswelt einführt.
Noch kein Kommentar, Füge deine Stimme unten hinzu!