Goldener Schnaps

Mit dem Taktstock gegen den Strom

»Edelbrenner des Jahres in Silber« und »Teilnehmer mit den meisten Sortensiegen und Goldmedaillen« – die Schnäpse des Ellmauer Brenners Wolfgang Kaufmann überzeugten bei der Destillata 2020. Damit setzt Wolfgang Kaufmann seine Siegesserie bei der Destillata auch heuer fort. Eine gebrannte Erfolgsgeschichte aus Birne, Vogelbeere und Trauben im Eichenfass.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPHOTO/Florian Egger
Bei Trauben und Eichenfass denkt man wohl unwillkürlich an Wein. Doch im Fall von Wolfgang Kaufmann entstand aus den beiden Zutaten sowie jeder Menge Wissen und Geschick ein edler Traubenbrand, der dem Ellmauer Erfolgsbrenner einen von insgesamt drei Sortensiegen im Rahmen der Destillata 2020 einbrachte. Zum ersten Mal stellte er sich der Herausforderung, diesen speziellen Traubenbrand herzustellen. Umso größer war die Freude über den Sieg. Und das wohl vor allem auch, weil es nicht bei diesem einen Sortensieg blieb. Auch sein Vogelbeer- sowie sein Birnenbrand wurden von der Jury als beste eingereichte Brände in der jeweiligen Kategorie ausgezeichnet. Dass der Ellmauer zudem noch Vizeeuropameister wurde und alle seine insgesamt 20 eingereichten Brände eine Medaille erlangten, setzt dem Erfolg von Wolfgang Kaufmann die Krone auf.

Fruchtige Traube mit Karamell

Insgesamt nahmen knapp 120 Betriebe an dem Wettbewerb rund um die hochprozentigen Köstlichkeiten teil. Die Teilnehmer kamen aus dem europäischen Raum von Ungarn und Italien bis hinauf nach Holland. Die Konkurrenz war damit groß. »Aber ich wusste, dass ich durchaus gute Chancen habe, denn ich kann meine Produkte inzwischen sehr gut einschätzen.« Sein eigener Favorit ist derzeit dann auch der Traubenbrand aus dem Eichenfass. »Er ist sehr fruchtig und frisch im Geruch, man schmeckt die Karamell-Vanille-Note vom Holzfass gepaart mit einem kräftigen Ton am Gaumen«, erklärt Wolfgang Kaufmann. Der Brenner nahm heuer zum dritten Mal in Folge an der Destillata teil. Auch in den Vorjahren wurden seine Brände erfolgreichst ausgezeichnet.

Gin trifft Heidelbeere & Co

Seine Leidenschaft zum Brennen perfektionierte Wolfgang Kaufmann vor sechs Jahren mit der Ausbildung zum Edelbrandsommelier. Nach vier Jahren Vorbereitung kamen 2014 auch seine ersten eigenen Destillate in den Verkauf, die beiden Marken »Kaufmann Spirits« und »Mountain Spirits« entstanden. Für die Destillata 2021 hat Wolfgang Kaufmann schon jetzt große Pläne. Gin-Heidelbeere, Gin-Himbeere und Gin-Holunder – seine drei neuen Gin-Liköre sollen ihm im kommenden Jahr einmal mehr zu einem Medaillenregen verhelfen. »Wir gehen damit dem Gin-Trend entgegen. Unsere Gin-Liköre sind perfekt für fruchtige Sommerdrinks. Ein paar Eiswürfel, Tonic, eine Zitronenscheibe und genießen.« Ein Genuss, der schon bald in den schwarzen Designflaschen des erfolgreichen Ellmauer Brenners landen und den Gaumen von Gin-Liebhabern erfreuen soll.

Prost! aus der Garage

Prost! aus der Garage

Die Geschichte beginnt wie eine dieser Erfolgsstorys aus den USA. Ein Bierliebhaber beginnt, in seiner Garage Bier zu brauen. Zufällig trifft er auf einen anderen Garagenbierbrauer in seinem Ort. Die beide schließen sich zusammen und Going-Craft entsteht. Eine Story über Ecken und Kanten, Amarillo & Citra Hopfen.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: Eigenfoto
Vom Holzbalkon baumelt eine Bierflasche. Die Beschwerung für ein kleines Plakat, auf dem in großen, schwarzen Buchstaben »Going Craft« prangt. Die Türe in den Raum darunter ist offen. Neben etlichen Bierkisten steht auf einer Anrichte ein kleines Metallgestell. Unzählige Schläuche führen zu Ventilen. Darunter eingespannt: drei Bierflaschen. Die Abfüllanlage von Stefan Scheucher und Andreas Widauer. In kürze wird hier Hochbetrieb herrschen, wenn die beiden ihr selbstgebrautes Bier, heute ein kaltgestopftes naturtrübes Citra Helles, abfüllen. Echtes Craft Bier aus Going.
im obersten Geschoss seines Vitalhotels Sonnenhof. Der Sonnenhof in Going erfuhr in den letzten Monaten einen vollkommenen Wandel. Mit an die zwölf Tonnen Stahl entstand eine gänzlich neue Statik. Das gesamte Hotel wurde um vier Meter verlängert, zwölf Zimmereinheiten auf den neuesten Stand gebracht. »Damit hat jedes unserer insgesamt 50 Zimmer mindestens 32 m².« Der oberste Stock, auf dem sich die Oase der Sinne erstreckt,

FOLGENREICHES TREFFEN

»Eigentlich war es nur ein Jux«, fängt der Goinger Andreas Widauer an zu erzählen. »Ein Kollege hatte Firstfeier und da kam ich mit einem Freund auf die Idee, dafür unser eigenes Bier zu brauen.« Er kauft ein Brauset, leiht sich von einem Hotel einen riesigen Kochtopf und legt los. Das Bier kommt so gut an, dass Andreas den Versuch ausbaut bis er durch Zufall Stefan kennenlernt. »Als ich erfuhr, dass er auch Bier braut, schaute ich mit einer meiner Flaschen bei ihm vorbei.« Ein Besuch mit Folgen, denn der Münchner und Wahl-Goinger ist vom Bier seines heutigen Braukollegen begeistert. Eine kleine Adelung für Andreas, denn Stefan Scheucher weiß, wie echtes Craft Bier zu schmecken hat. Rund sechs Jahre führte Stefan gemeinsam mit einem Freund in Mexiko eine große Craftbier-Brauerei. »Wir waren eine der ersten, die den Trend aus den USA nach Mexiko brachten.« Als es ihn 2007 wieder zurück nach Going zog, wo seine Mutter lebt, hatte er seine Craftbier- Leidenschaft mit im Gepäck und begann, in seiner Garage für den Eigenbedarf zu brauen. »Letztlich kamen eins zum anderen und Andreas und ich taten uns zusammen«, erzählt Stefan Scheucher weiter.
im obersten Geschoss seines Vitalhotels Sonnenhof. Der Sonnenhof in Going erfuhr in den letzten Monaten einen vollkommenen Wandel. Mit an die zwölf Tonnen Stahl entstand eine gänzlich neue Statik. Das gesamte Hotel wurde um vier Meter verlängert, zwölf Zimmereinheiten auf den neuesten Stand gebracht. »Damit hat jedes unserer insgesamt 50 Zimmer mindestens 32 m².« Der oberste Stock, auf dem sich die Oase der Sinne erstreckt,

ECKIGES BIER

Ein helles Lagerbier verfeinert mit Citra Hopfen wartet im Kessel auf die Abfüllung. Ein Bier jenseits der Standardbiere, so wie alle Erzeugnisse der beiden. »Bei Standard- Erzeugnissen werden die Geschmacksecken und -kanten abgeschliffen, um möglichst viele Kunden anzusprechen. Wir machen genau das Gegenteil und setzen auf diese Ecken und Kanten«, erklärt Andreas. »Das ist nicht jedermanns Geschmack, aber wir wollen das Ausleben.« Dafür verwenden sie außergewöhnliche Hopfensorten und geben diese nicht nur, wie sonst üblich, im Kochbereich zu, sondern auch im Kaltbereich. »Dadurch werden hauptsächlich die Öle, die Geschmacksträger, aufgenommen und nicht die Bittere des Hopfens. Citra Hopfen etwa ist bekannt für seine Grapefruit- und Limettennuance, die er dem Bier verleiht. Wobei es auf die Menge ankommt. Gibst du zu viel dazu, entsteht ein Fruchtcocktail und kein Bier«, lacht Stefan und geht hinüber

KREATION IM AUTO

Drei Kessel und unzählige Leitungen und Schläuche füllen den kleinen Raum. Vom einstigen Bier im Kochtopf sind die beiden Hobbybrauer längst abgekommen. Sie verkaufen ihr Bier ab Hof und in der kleinen Eismanufaktur in Going. Ihren Hopfen beziehen sie allen voran aus Deutschland, dem klassischen Hopfenanbaugebiet. Die Spezialhopfen wie Amarillo oder Citra kommen

»Wir wollen das Bier nicht neu erfinden, sondern außergewöhnliche Bier mit Charakter brauen.«

Stefan Scheucher, Hobbybierbrauer – Going-Craft

direkt aus den USA. Und die können einiges kosten, denn Hopfen gehört zu den teuersten legalen Pflanzen wie Stefan betont. »Noch dazu verwenden wir durch unsere Kalthopfung bis zu dreimal so viel Hopfen wie bei der herkömmlichen Bierproduktion. « Über Neuzüchtungen erfahren sie aus der Brauliteratur. Ist etwas Interessantes dabei, wird eine Probe bestellt und der Hopfen erst einmal mit heißem Wasser übergossen. »So werden die
Öle frei und du kannst den Geschmack testen«, erklärt Andreas. Harzig, blumig, grasig. Die Kunst liegt in der richtigen Kombination und in der Dauer der Hopfenzugabe. Probieren und abschmecken gehört zum Brauen dazu. In Summe dauert es an die fünf, sechs Wochen bis das Bier fertig ist und die Endverkostung ansteht. Ein Moment mit Herzklopfen. »Im Grunde denken wir immer ans Bierbrauen. Welche Biere können wir noch brauen
brauen, welche Nuancen würden passen. Die besten Ideen sind mir dabei schon beim Autofahren gekommen«, erklärt Stefan, während er die Gummihandschuhe überzieht. Die Zeit drängt, die Flaschen müssen abgefüllt werden. Etliche Kunden haben bereits wieder angefragt und auch die Eismanufaktur sitzt auf dem Trockenen. Ein intensiver Vormittag steht den beiden bevor. Damit es für alle Craftbier- Liebhaber wieder heißt: Prost!

Der Camenbert

Kaiser unter den Weichkäsen.

Der französische Camembert ist wohl einer der beliebtesten Käse weltweit – und einer der am meistkopierten. Dabei braucht es viel Geschick und feines Gefühl, um einen deliziösen Weichkäse herzustellen. Der gebürtige Ellmauer und Wilde Käser Bernhard Widauer hat beides.
»Das Wichtigste ist die Milch«, weiß Bernhard Widauer, er macht seit 1994 Käse. »Wir verwenden für unsere Käse ausschließlich Heumilch.« Der Grundstoff wird von der Berglandmilch zugekauft, sie sammelt diese im Sommer von rund sieben Almen in der Region um die Käserei. Im Winter wird die Milch von den umliegenden Bauern bezogen. Rein theoretisch könnte Silomilch für die Camembert-Produktion auch verwendet werden, mit einem großen Aber: »Von der Qualität her bietet die Almmilch beziehungsweise Heumilch die beste Vo
raussetzung. Seit gut 20 Jahren setze ich darauf.« Je nach Jahreszeit schmeckt die Milch zudem anders, das hängt wiederum mit dem Futter der Kuh zusammen. »Aus diesem Ausgangsprodukt versuchen wir Spezialitäten zu erzeugen. Bei uns sind das die Weichkäse ›Kleiner Stinker‹ und ›Großer Stinker‹ und Schnittkäse«, sagt er. »Das Spannende in einem kleinen Betrieb ist, dass man bei der Produktion noch handwerklich eingreifen kann. Wir haben kein Standardprodukt.« Das mit dem Camembert sehen wir uns genauer an.

Wie & was: Der Camembert

Einer Legende nach wurde der Camembert von Marie Harel, einer Bäuerin aus dem Dorf Camembert in der Normandie, erfunden. Während der Französischen Revolution soll sie dem aufständischen Priester Abbé Charles-Jean Bonvoust aus Brie Unterschlupf gewährt haben. Aus Dankbarkeit lehrte er sie die Raffinessen der Käseherstellung, sie stellte ihre Produktion um. Eine Geschichte, die wohl nur ansatzweise stimmt: die ersten Aufzeichnungen der Produktion von hochwertigem Käse in der Ortschaft Camembert stammen bereits aus dem Jahr 1708. Zum Durchbruch verhalf dem Camembert der französische Kaiser Napoléon III. »Der typische Camembert aus Frankreich ist in der Mitte ›topfig‹. Das mag die heutige Gesellschaft nicht mehr allzu gerne«, beschreibt Bernhard. »Heute soll er durchgereift sein. Wir machen also einen modernen ›Camembert‹, der cremig und vollmundig ist.« Am besten vom Geschmack her ist der Camembert, wenn er Richtung Ablaufdatum geht. Gelagert wird er in der Originalverpackung im Kühlschrank.

1. Thermisierung der Milch

Bei Bernhard wird die Milch übrigens nicht pasteurisiert, so würden viele Aromastoffe verloren gehen. »Da gehen wir dann in die Richtung eines Industrieprodukts. Das wollen wir nicht. Geschmacklich wollen wir weit vorne sein.« Da der Camembert im Betrieb möglichst schonend hergestellt wird, wird die Milch in der Käserei über den Pasteur auf zirka 60 °C für rund 30 Sekunden erwärmt. »Die Standards bei der Lebensmittelproduktion sind im Allgemeinen hoch. Durch die Thermisierung können wir diese Erfordernisse erfüllen und haben ein tolles Produkt.«

2. Vorreifen und Dicklegen der Milch

Danach wird die Heumilch in einen großen Kessel befördert. In diesem Schritt kommen die Milchsäurebakterien zur Milch, sie vermehren sich dort und unterdrücken die »schlechten« Bakterien. »Die züchten wir selbst. Das ist sozusagen das Geheimnis eines jeden Betriebs.« Außerdem wird der Edelschimmel »Penicillium camemberti« hinzugefügt. Die Vorreifung dauert rund 45 Minuten, dann kommt das Lab hinzu, ein Enzym aus dem Kälbermagen. »Milch besteht zu 90 Prozent aus Wasser, aus den restlichen 10 Prozent wird Käse gemacht. Das Lab brauchen wir, damit sich das Wasser von den restlichen Bestandteilen trennt.« Um 100 Liter Milch dickzulegen, benötigt man zwischen 16 und 18 Milliliter Lab. Nach erneuter Wartezeit lässt das Enzym die Milch gerinnen, die daraus entstandene Masse nennt man »Gallerte«.

»Man braucht sehr viel Gefühl für die Käseherstellung.«

Bernhard Widauer, Wilder Käser

3. Der Käseschnitt und die Abfüllung

Nun wird die geronnene Milch mit der Käseharfe geschnitten. Hierbei gilt die Regel: Je fester der Käse werden soll, desto kleiner sollen die Bruchstücke sein. Dabei ist der richtige Zeitpunkt zum Schneiden entscheidend, Bernhard prüft manuell mit Hand und Auge, ob die Masse die richtige Konsistenz hat. Schneidet er, so entsteht der Käsebruch. Dieser Vorgang wird Bruchschneiden genannt, dabei wird die Molke vom Bruch getrennt. Anschließend wird das Bruch-Molke-Gemisch noch weitere 40 bis 45 Minuten schonend gerührt, damit sich der weiche Käsebruch verfestigt. Dann muss es schnell gehen: das Bruch-Molke-Gemisch muss in die Käseformen abgefüllt werden.

4. Salzbad der Käse

Durch das Baden in 18- bis 20-prozentiger Salzlake wird den jungen Käselaiben weiter Wasser entzogen und so die Rindenbildung vorbereitet. Zudem wandert das Salz auch in den Käse und trägt so zum späteren Geschmack bei. »Ein ganz wichtiges Thema ist, dass das Salzbad richtig eingestellt ist und die Laibe nicht zu lange im Bad bleiben«, weiß Bernhard. »Alles muss genau abgewogen sein. Denn das Salzbad trägt nicht nur zur Rindenbildung und zum Geschmack bei, auch für die Haltbarkeit ist es wichtig.«

5. Reife und Verpackung

»Je langsamer ein Käse reift, desto besser wird er.« Daher nimmt man sich im Familienbetrieb für die Reife des Camembert Zeit. Zwischen 13 und 14 °C reifen die Laibe, im Raum hat es rund 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. »Die Luftfeuchtigkeit ist beim Camembert wichtig, da er sonst eine Rinde zu bilden beginnt.« Ab dem vierten Tag der Reifezeit kann man bereits die ersten Edelschimmel-Sporen sehen, nach gut zwei Wochen werden die Laibe abgepackt und kommen in den Handel.

Text: Alexandra Embacher
Foto: GPHOTO/Martin Guggenberger

 

Antik und Trödel

Eine Million Jahre auf 60 Quadratmetern.

»Antik und Trödel«, so steht es über der Tür. Die alte Fassade ist mit kunstvollen Bildern behangen und das, was drin nicht Platz findet, säumt die Hausfront. Was Fritz Weiß aus Ellmau vor 28 Jahren gestartet hat, ist nichts Gewöhnliches. Das ist auf den ersten Blick zu erkennen. Und dabei begann alles in den Brockenstuben in der Schweiz.

Wie auf einer Zeitreise bewegt man sich behutsam durch die schmalen Gänge der knapp sechzig Quadratmeter. Jeder Zentimeter ist genutzt, jede Schublade, jedes Kästchen birgt Schätze, die Luft ist erfüllt von den unterschiedlichen Holznoten und kleine Staubkörnchen tanzen dort, wo die Sonnenstrahlen den Raum erreichen. Fritz Weiß hat sich hier ein kleines Imperium aus vergangenen Zeiten geschaffen. Einen Platz, wo Modernität, Fortschritt und Schnelllebigkeit der Eintritt verwehrt bleibt.

Brockenstuben

Gebrauchtwarenläden würde man hierzulande sagen oder Secondhandshops. In weiten Teilen Österreichs und Deutschlands ist der Begriff ›Brockenstuben‹ praktisch unbekannt, aber in der Schweiz stellen sie populäre Einrichtungen dar, die in beinahe jedem Dorf zu finden sind. Fritz arbeitete viel in der Schweiz und verbrachte viel Zeit in den »Brockis«, diesen sozialen Kaufhäusern, die sich um Entrümpelungen und Nachlässe kümmern und diese wieder verkaufen. Und dort begann seine Leidenschaft für das Stöbern.

»Das teuerste Lehrgeld hab ich bezahlt für die Dinge, die ich nicht gekauft

Fritz Weiß, Antik und Trödel

Lehrgeld

Er war sehr anfällig für das Alte und das Schöne und hat anfangs alles gekauft, was ihm persönlich gefallen hat. »Da hat man zu Beginn natürlich viel Lehrgeld bezahlt«, berichtet der gelernte Handelskaufmann. Der bereits verstorbene Ellmauer Norbert Kofler, ebenfalls Sammler und Bewahrer, hat Fritz damals viel gelehrt und beigebracht, was das Handwerk des Antik- und Trödelhändlers betrifft. Was ist ein Holzstich, was eine Lithographie, woran erkennt man einen Maschinendruck und wie unterscheidet man ihn von dem viel wertvolleren Handdruck. »Aber das teuerste Lehrgeld habe ich bezahlt für die Dinge, die ich nicht gekauft habe«, erinnert sich Fritz an einen besonderen Fall zurück. Bei einem Händler entdeckte er einen wunderschönen Schiffschronometer aus Ebenholz mit Kristallglas. Eingraviert war das Wort ›Glashütte‹, was ihm damals jedoch noch kein Begriff war und so entschied er sich gegen den Kauf für 1.500 Franken. Kurze Zeit später las er in der Zeitung von den Luxusartikeln und der hohen Uhrmacherkunst von Glashütte. Als er daraufhin erneut den Händler kontaktierte, sagte ihm dieser, dass der Chronometer an diesem Morgen verkauft wurde. Das war wirkliches Pech, denn der Wert dieser Präzisionsuhr, wie er herausfand, lag bei über 100.000 Schilling (rund 7.000 Euro).

Stöbern und Sammeln

Mittlerweile hat er viel Stammkundschaft und diese kennt Fritz gut. Er weiß, wonach sie suchen und kennt ihre Vorlieben. Beim Ankauf hat er oft schon jemanden im Kopf, dem er damit eine Freude machen wird. Aber auch viele Gäste und Durchreisende bleiben bei dem Häuschen neben der Straße stehen, um nach dem Besonderen zu suchen. Ein Sekretär mit wundervoller Handschnitzerei wird zum Beispiel demnächst zu einem Käufer nach Hongkong verschifft, der dieses Stück während eines Ellmau-Urlaubs entdeckte.

Und dabei ist der Verkauf nicht das, was für Fritz den großen Reiz an seinem Gewerbe ausmacht. Aber das Stöbern. Das wohl. Dafür hat er nach wie vor ungebändigte Leidenschaft.

Gemischte Gefühle kommen in dem Sammler auf, wenn er an die Zukunft denkt. Denn auch für den Laden im Auwald gibt es ein Ende und das beginnt mit dem Bau der neuen Straße, die für die nächsten Jahre geplant ist. Aber bis dahin bleibt alles sprichwörtlich beim ›Alten‹ und außerdem: »Stöbern kann ich ja auch nachher noch, dafür brauch ich kein Geschäft.«

TEXT: Alexandra Embacher FOTO: GPhoto/ Martin Guggenberger

Saatgut Going

Der Wert des Einzelnen

Saatgut aus dem eigenen Anbau ist Gold wert. Nicht nur wegen der finanziellen Ersparnis, so kann auch die Vielfalt der alten, heimischen Pflanzensorten erhalten und die Abhängigkeit von großen Konzernen umgangen werden. Wie man Saatgut erfolgreich gewinnt? Das verrät Bio-Bauer Franz Wallner vom Hof Blaiken in Going. Und wie heimische Pflanzensamen die Welt bunter machen.
Sobald die wärmeren Monate begin- nen, holt so mach einer das Saatgut aus den Schränken hervor. Samen für Sa- men wird penibel in die Erde gepflanzt, bald sind die ersten grünen Spitzen der Sämlinge zu sehen. Stattliche Pflanzen wachsen daraus, sie liefern Gemüse so- wie Korn oder blühen in den schönsten Farben. So auch bei Franz Wallner: »Ich habe eigentlich schon immer Getreide angebaut, auch Mais, Kartoffeln, Topi- nambur und Sonnenblumen wuchsen schon auf unseren Feldern – einfach al- les Mögliche. Was wir dann im Herbst geerntet haben, wurde früher an die Schweine verfüttert.« Gekauft hat er da- bei wenig Saatgut, der 66-Jährige hat es selbst vermehrt. Dabei braucht die Saat- gutgewinnung Zeit, Wissen und einen Standort, an dem die Pflanze völlig aus- reifen kann. »Wenn du heute ein Korn, ein Saatgut aufbewahrst und dann in die Erde steckst, Wasser und Sonne dazu kommen, dann wird die komplette Ur- Information wieder frei. Die ganze Ener- gie wird eingesetzt, um zu keimen. Das ist die einzige Aufgabe dieses Korns.« In Franz’ Beispiel entsteht aus diesem ei- nen Korn später eine Weizenähre, wel- che wieder Körner und somit Saatgut für den Anbau der nächsten Pflanzengene- ration liefert.

EINE ANLEITUNG ZUR SAATGUTGEWINNUNG

Die wertvollen Samen der Planzen müs- sen nicht im Müll landen, Saatgut selbst vermehren kann jeder. Für Einsteiger eig- nen sich besonders gut Tomatenpflanzen, sie bilden schon im ersten Jahr Samen und bestäuben sich selbst. Geht man je- doch nach folgendem Schema vor, soll- ten auch andere Pflanzen kein größeres Problem sein:
1. Die Selektion
Als Erstes muss die Mutterpflanze ausge- wählt werden, von der das Saatgut stam- men soll. Als Faustregel gilt, dass Gemü- se, Kräuter oder Blumen, die besonders ergiebig gedeihen, sich auch am besten zur Saatgutgewinnung eignen. Sprich: die widerstandsfähigsten und stärksten Pflanzen liefern das beste Saatgut. Zu- dem taugen nur samenfeste oder sorten-reine Pflanzensorten, Hybridpflanzen (Kreuzungen zweier Pflanzen) sind nicht geeignet.

2. Die Saatgutgewinnung
Die Samen verschiedener Pflanzen wer- den unterschiedlich gewonnen. Manche Sorten müssen zum Blühen gebracht werden (z. B. das Radieschen), andere bilden den Samen direkt in der Frucht aus (z. B. die Tomate). »Ich muss den Zeitpunkt aber jedenfalls abwarten, bis der Samen reif ist«, weiß Franz. Das Saat- gut wird abgeerntet und gegebenenfalls in einem Sieb gewaschen.

»Korn für Korn muss gesät werden. Wenn man einfach streut, wird es ein Krauthaufen.«

3. Das Trocknen
»Als Nächstes muss man den Samen langsam trocknen, wir machen das im- mer in der Stube.« An einem warmen Ort (optimal bei 25 °C) werden die Samen beispielsweise auf Vliesresten, Backpa- pier oder Kaffeefiltern getrocknet. Wird das Saatgut ausgebreitet, trocknet es gleichmäßiger und schneller. Bei Schlan- genknoblauch oder ähnlichen Sorten können die Pflanzen als Strang zusam- mengebunden und aufgehängt getrock- net werden.

4. Das Aufbewahren
»Erst wenn der Samen komplett trocken ist, kann man ihn lagern«, erklärt Franz. Ob luftdicht in Glasbehältern oder in Papiertüten – das sei jedem selbst über- lassen. Kühl, dunkel und trocken soll der Samen gelagert werden. »So kann Saatgut auch 50, 60 Jahre aufbewahrt werden. Es darf nur nicht zu schimmeln beginnen.« Und auf das Beschriften der Sorten sollte man nicht vergessen!

die welt wird bunter

Am Blaikner Urkraftplatz hat alles vor einigen Jahren begonnen. Man traf sich dort: ein paar Vertreter des Goinger TVB-Ortsbüros, Kräuterexpertin Cornelia Miedler und Bio-Bauer Franz. Etwas Spezielles sollte her, ein Geschenk an die Gäste. Die erste Idee: eine Wasserkaraffe mit Edelsteinen. »Davon habe ich ihnen aber entschieden abgeraten«, erinnert sich Franz zurück, der sich mit Wasser intensiv beschäftigt. »Wenn man die Edelsteine nicht an Personen anpasst, haben sie nicht die gewünschte Wirkung. Und vor allem soll man nicht mehr als drei Steine im Wasser haben.« Was man sonst machen könnte? Das stand an diesem Abend noch nicht fest. Später folgte aber die zündende Idee: wa- rum die Welt außerhalb Tirols nicht ein wenig bunter machen? So war die »Go- inger Ursaat«, eine Mischung aus sieben einheimischen Pflanzensamen, gebo- ren. Ein Teil des ursprünglichen Saatguts stammt aus dem Bestand der Bio Austria Saatgut und der Arche Noah, »da habe ich die Sorten bekommen, die ich noch nicht hatte.« Phacelia, Ringelblume, Mais, Sonnenblume, Schwarzhafer, Urweizen und Schlangenknoblauch baut Franz gemeinsam mit seiner Frau Luise seither für diese Projekt auf den kleinen Feldern – jedes ist nur so groß wie ein mittel- großes Zimmer – vor dem Hof an. Und gewinnt Jahr für Jahr das Saatgut, das in kleinen Glasröhrchen an die Gäste ver- teilt wird. »Der Gedanke war, dass die Leute selber das soweit aufzüchten, dass es einen Samen gibt. Und diesen sollen sie dann wiederum verschenken«, sagt Franz. »Es soll weit hinausgehen, mög- lichst viele Pflanzen sollen entstehen.

Text: Alexandra Embacher
Foto: Roland Defransesco/TVB Wilder Kaiser