Kaiser unter den Weichkäsen.

Der französische Camembert ist wohl einer der beliebtesten Käse weltweit – und einer der am meistkopierten. Dabei braucht es viel Geschick und feines Gefühl, um einen deliziösen Weichkäse herzustellen. Der gebürtige Ellmauer und Wilde Käser Bernhard Widauer hat beides.
»Das Wichtigste ist die Milch«, weiß Bernhard Widauer, er macht seit 1994 Käse. »Wir verwenden für unsere Käse ausschließlich Heumilch.« Der Grundstoff wird von der Berglandmilch zugekauft, sie sammelt diese im Sommer von rund sieben Almen in der Region um die Käserei. Im Winter wird die Milch von den umliegenden Bauern bezogen. Rein theoretisch könnte Silomilch für die Camembert-Produktion auch verwendet werden, mit einem großen Aber: »Von der Qualität her bietet die Almmilch beziehungsweise Heumilch die beste Vo
raussetzung. Seit gut 20 Jahren setze ich darauf.« Je nach Jahreszeit schmeckt die Milch zudem anders, das hängt wiederum mit dem Futter der Kuh zusammen. »Aus diesem Ausgangsprodukt versuchen wir Spezialitäten zu erzeugen. Bei uns sind das die Weichkäse ›Kleiner Stinker‹ und ›Großer Stinker‹ und Schnittkäse«, sagt er. »Das Spannende in einem kleinen Betrieb ist, dass man bei der Produktion noch handwerklich eingreifen kann. Wir haben kein Standardprodukt.« Das mit dem Camembert sehen wir uns genauer an.

Wie & was: Der Camembert

Einer Legende nach wurde der Camembert von Marie Harel, einer Bäuerin aus dem Dorf Camembert in der Normandie, erfunden. Während der Französischen Revolution soll sie dem aufständischen Priester Abbé Charles-Jean Bonvoust aus Brie Unterschlupf gewährt haben. Aus Dankbarkeit lehrte er sie die Raffinessen der Käseherstellung, sie stellte ihre Produktion um. Eine Geschichte, die wohl nur ansatzweise stimmt: die ersten Aufzeichnungen der Produktion von hochwertigem Käse in der Ortschaft Camembert stammen bereits aus dem Jahr 1708. Zum Durchbruch verhalf dem Camembert der französische Kaiser Napoléon III. »Der typische Camembert aus Frankreich ist in der Mitte ›topfig‹. Das mag die heutige Gesellschaft nicht mehr allzu gerne«, beschreibt Bernhard. »Heute soll er durchgereift sein. Wir machen also einen modernen ›Camembert‹, der cremig und vollmundig ist.« Am besten vom Geschmack her ist der Camembert, wenn er Richtung Ablaufdatum geht. Gelagert wird er in der Originalverpackung im Kühlschrank.

1. Thermisierung der Milch

Bei Bernhard wird die Milch übrigens nicht pasteurisiert, so würden viele Aromastoffe verloren gehen. »Da gehen wir dann in die Richtung eines Industrieprodukts. Das wollen wir nicht. Geschmacklich wollen wir weit vorne sein.« Da der Camembert im Betrieb möglichst schonend hergestellt wird, wird die Milch in der Käserei über den Pasteur auf zirka 60 °C für rund 30 Sekunden erwärmt. »Die Standards bei der Lebensmittelproduktion sind im Allgemeinen hoch. Durch die Thermisierung können wir diese Erfordernisse erfüllen und haben ein tolles Produkt.«

2. Vorreifen und Dicklegen der Milch

Danach wird die Heumilch in einen großen Kessel befördert. In diesem Schritt kommen die Milchsäurebakterien zur Milch, sie vermehren sich dort und unterdrücken die »schlechten« Bakterien. »Die züchten wir selbst. Das ist sozusagen das Geheimnis eines jeden Betriebs.« Außerdem wird der Edelschimmel »Penicillium camemberti« hinzugefügt. Die Vorreifung dauert rund 45 Minuten, dann kommt das Lab hinzu, ein Enzym aus dem Kälbermagen. »Milch besteht zu 90 Prozent aus Wasser, aus den restlichen 10 Prozent wird Käse gemacht. Das Lab brauchen wir, damit sich das Wasser von den restlichen Bestandteilen trennt.« Um 100 Liter Milch dickzulegen, benötigt man zwischen 16 und 18 Milliliter Lab. Nach erneuter Wartezeit lässt das Enzym die Milch gerinnen, die daraus entstandene Masse nennt man »Gallerte«.

»Man braucht sehr viel Gefühl für die Käseherstellung.«

Bernhard Widauer, Wilder Käser

3. Der Käseschnitt und die Abfüllung

Nun wird die geronnene Milch mit der Käseharfe geschnitten. Hierbei gilt die Regel: Je fester der Käse werden soll, desto kleiner sollen die Bruchstücke sein. Dabei ist der richtige Zeitpunkt zum Schneiden entscheidend, Bernhard prüft manuell mit Hand und Auge, ob die Masse die richtige Konsistenz hat. Schneidet er, so entsteht der Käsebruch. Dieser Vorgang wird Bruchschneiden genannt, dabei wird die Molke vom Bruch getrennt. Anschließend wird das Bruch-Molke-Gemisch noch weitere 40 bis 45 Minuten schonend gerührt, damit sich der weiche Käsebruch verfestigt. Dann muss es schnell gehen: das Bruch-Molke-Gemisch muss in die Käseformen abgefüllt werden.

4. Salzbad der Käse

Durch das Baden in 18- bis 20-prozentiger Salzlake wird den jungen Käselaiben weiter Wasser entzogen und so die Rindenbildung vorbereitet. Zudem wandert das Salz auch in den Käse und trägt so zum späteren Geschmack bei. »Ein ganz wichtiges Thema ist, dass das Salzbad richtig eingestellt ist und die Laibe nicht zu lange im Bad bleiben«, weiß Bernhard. »Alles muss genau abgewogen sein. Denn das Salzbad trägt nicht nur zur Rindenbildung und zum Geschmack bei, auch für die Haltbarkeit ist es wichtig.«

5. Reife und Verpackung

»Je langsamer ein Käse reift, desto besser wird er.« Daher nimmt man sich im Familienbetrieb für die Reife des Camembert Zeit. Zwischen 13 und 14 °C reifen die Laibe, im Raum hat es rund 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. »Die Luftfeuchtigkeit ist beim Camembert wichtig, da er sonst eine Rinde zu bilden beginnt.« Ab dem vierten Tag der Reifezeit kann man bereits die ersten Edelschimmel-Sporen sehen, nach gut zwei Wochen werden die Laibe abgepackt und kommen in den Handel.

Text: Alexandra Embacher
Foto: GPHOTO/Martin Guggenberger

 

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