Kühe als Patienten
Vor zwanzig Jahren kehrte die gebürtige Salzburgerin Elisabeth Brandstätter Wien den Rücken
und eröffnete in Ellmau eine Tierarztpraxis. Der Beginn einer intensiven Zeit zwischen kalbenden
Kühen, Besamungen, der Fleischbeschau im Schlachthof und einem erster Fall, an den sie
sich noch heute erinnert.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPHOTO / Florian Egger
Das Telefon klingelt. Mit einem entschuldigenden
»das wird jetzt noch öfters passieren
« hebt Elisabeth Brandstätter ab. Auf ein,
zwei kurze »Ja« folgt ein Blick auf die Uhr.
»In zwei Stunden bin ich bei dir.« Es ist nichts
Ernstes, wie sie gleich darauf erklärt, sie muss
einen Ultraschall bei einer trächtigen Kuh
vornehmen. Alltagsgeschäft für die Tierärztin
aus Ellmau.
»Kühe sind angenehme Patienten, wobei es durchaus auch Zicken und Divas unter ihnen gibt.«
Elisabeth Brandstätter, Großtierärztin Ellmau
BRAUNVIEHDILEMMA
»Ich kann mich noch an meinen ersten potentiellen
Auftrag erinnern, der dann wegen
dem falschen Samen im Sand verlief. Ich hätte
bei einer Kuh eines Braunviehzüchter eine
künstliche Besamung durchführen sollen,
doch ich bekam keinen Braunviehsamen geliefert.
Da musste ich meinen ersten Kunden
gleich wieder weiter schicken. So ein Auftakt
tat schon weh.« Heute kann sie darüber lachen.
In ihrer Großtierpraxis tummeln sich
zwar auch Hunde und Katzen, ein gewichtiger
Teil der Patienten ist aber um einiges
größer. Allen voran Bauern mit ihren Kühen
zählen zu Elisabeth Brandstätters Kunden
und hier entfällt ein Hauptteil ihrer Arbeit auf
künstliche Besamungen. Weitaus weniger oft
als früher wird die Tierärztin dagegen zu Geburten
gerufen. »Das hängt eigentlich direkt
mit der Besamung zusammen, da du über
den Samen schon eingreifen kannst wie groß
das Kalb wird. Dadurch werden komplizierte
Geburten immer seltener.« Der Großtierärztin
ist das gar nicht so unrecht. Denn wenn
ein Tierarzt bei einer Kälbergeburt eingreifen
muss, ist das oft mit Schwerstarbeit verbunden.
»Bei einer normalen Geburt ist kein Tierarzt
notwenig. Nur wenn es zu Komplikationen
kommt, werden wir gerufen. Etwa wenn
das Kalb verkehrt herum oder mit nur einem
Fuß voran liegt, wenn es sich im Uterus eingedreht
hat oder wenn Zwillinge unterwegs
sind.« Ist das der Fall muss der Tierarzt das
Kalb einrichten. Erst dann kann es der Bauer
herausziehen. »Für diesen Job bist du als Tierarzt
idealerweise groß, hast lange Arme und viel Kraft. Denn so ein Kalb wiegt bei der
Geburt schon einmal 50 Kilo oder mehr.
Da ist es kein Wunder, dass sogar fitte
männliche Tierärzte sagen, dass ihnen
drei Tage nach einer solchen Geburtshilfe
noch alles weh tut.«
IM SCHLACHTHAUS
Das Telefon läutet erneut. Der nächst
Fall. Eine Besamung. Es ist die Aufgabe
der Bauern einzuschätzen, wann der
perfekte Zeitpunkt dafür ist. Groß ist die
Zeitspanne nicht, wie die Tierärztin erklärt
und so heißt es für sie spontan sein.
»Mein Telefon klingelt ständig, etwas ist
immer. Gestern erst rief ein Bauer an. Eines seiner Schafe hatte gerade ein Lamm
geboren und nun war er unschlüssig, ob
nicht noch eines kommt. In so einem
Fall heißt es alles liegen lassen und losfahren.
« Wobei immer kann Elisabeth
Brandstätter nicht weg. Je nach Saison ist
sie nämlich einen Tag oder während der
Wildfleischzeit die ganze Woche über in
Sachen Fleischbeschau im Einsatz. Wobei sie sich die Arbeit mit
ihrem Wörgler Kollegen
teilt. An diesen Tagen ist sie
zehn oder mehr Stunden
am Arbeiten. Die Entscheidung
für diese etwas andere
Tierarzttätigkeit hat sie
nie bereut, auch wenn sie selbst
deshalb kein Haustier mehr hat.
»Eigentlich ist ein Tierarzt ohne eigenes
Tier ja suspekt. Bei so langen Arbeitstagen
hätte ich jedoch nicht genug Zeit
für ein Tier. Aber in der Pension, möchte
ich wieder einen Hund haben.« Sie hat
den Satz noch nicht ganz fertig gesprochen,
da klingelt erneut ihr Telefon. Der
nächste Einsatz.
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