Siebzig Jahre gesungene Tradition
Vor 70 Jahren luden die damaligen Stanglwirtsleute Anna Hauser und Alois Hofer zum ersten Sängertreffen in ihren Stanglwirt. Der Anfang einer Tradition rund um den echten Volksgesang, der auch eine Liebe ins Haus brachte.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPHOTO / Simon Lanzinger
»Dort droben bei den Buachen da fangs scho on zu schneibn. Habs Dirndl wolln suachen, i lass es liaba bleibn. Das ist eines meiner liebsten Volkslieder«, erzählt Magdalena Hauser und fängt augenblicklich an, die Melodie zu summen. Ein echtes Volkslied in der Mundart gesungen, so wie es die Grundvoraussetzung für die Gruppen ist, die bei dem traditionellen Sängertreffen des Stanglwirts auftreten. Eine Veranstaltung, die 1977 dem Leben der heutigen Wirtsleute Magdalena und Balthasar Hauser eine ungeahnte Wende gab und sie zusammenführte.
Alles, nur kein Wettstreit
Mit Wasser und einem Glas Wein haben es sich die Stanglwirtsleute im ersten Stock des Gasthofes gemütlich gemacht. »Hier heroben finden immer die richtigen »Sänger-Treffen« statt«, erzählt der Stanglwirt augenzwinkernd. »Hier sitzen die Gruppen beisammen, haben es lustig, essen und trinken und gehen dann abwechselnd hinunter in den Saal, um ein paar Lieder zu singen«. Die Sängertreffen im Stanglwirt sind längst legendär. »Und eigentlich gab es sie schon lange bevor meine Eltern sie als Sängertreffen betitelten«, erzählt Balthasar Hauser. »Meine Eltern und meine Tante Lisi bildeten das Stangl-Trio und haben immer bei uns in der Gaststube gesungen. Ab und an kamen andere Gruppen hinzu. Es waren gemütliche Abende ohne große Planung, ein heimeliges Treffen von Sängern.« Der Cousin von Balthasars Mutter sagte zu, einen Sängerwettstreit zu initiieren. »Drei befreundete Sängergruppen wurden eingeladen und meine Mama hatte bereits Geschenkkörbe für die Sieger organisiert«, erzählt Balthasar Hauser und beginnt zu schmunzeln. »Nur mein Papa meinte dann: Wir können doch keinen Wettstreit machen, das geht gar nicht. Beim Singen kann es keinen Sieger geben oder stell dir vor, am Ende gewinnen noch wir als Gastgeber. Das geht ja überhaupt nicht.« Und so wurde im Jahr 1949 aus dem Wettkampf kurzerhand das erste offizielle Sängertreffen beim Stanglwirt ohne Bewertung, aber mit drei Geschenkskörben für die drei eingeladenen Gruppen. Die Saalfeldner Diandln, das Praxmair-Trio und das Mayrhofner-Trio.
»Wir wollen die alte Gesangskultur erhalten.«
Balthasar Hauser, Stanglwirt
Die kalbende Kuh
»Ich weiß noch wie einmal ein Bauer zu mir sagte, dass er ja gerne kommen und bei uns singen würde. Aber er hat eine kalbende Kuh, meinte er, da könne er nicht weg«, erzählt Balthasar Hauser lachend. »Ich habe ihn dann gefragt, ob er kommt, wenn ich ihm wen organisiere, der auf seine Kuh schaut. Und so habe ich den Nachbarbauern angerufen, der dann zur Kuh ging.« Magdalena Hauser kennt solche Geschichten nur zu gut. Seit dem 100. Sängertreffen im Jahr 1999 hat sie die Organisation übernommen. Eine Arbeit, die sie leidenschaftlich gerne macht und die sich über das gesamte Jahr zieht. »Das Sängertreffen ist kein Event, das ein Eventbüro plant. Die Veranstaltung begleitet Balthasar und mich das ganze Jahr über. Es ist eine familiäre Sache, so wie früher bei meinen Schwiegereltern.« Daher ist auch die Einladung der Gruppen eine sehr persönliche Geschichte. Kaum etwas wird via E-Mail vereinbart. Viel lieber greift Magdalena Hauser zum Telefon. »Dieses miteinander Reden ist mir wichtig. Ganz so wie zu den Anfängen des Sängertreffens vor
70 Jahren.«
Die Liebe gefunden
Inmitten dieser Welt voll von Kommerz und Konsum sticht vor allem eines hervor: Keine der Gruppen erhält eine Gage. Der einzige Lohn sind Speis, Trank, Übernachtung und ein Erinnerungsgeschenk. Und das, obwohl bekannte Sänger und Musikanten darunter sind, die jede Woche woanders auftreten und anderorts ein durchaus hohes Honorar bekommen. »Alle nehmen bei uns aus reinem Idealismus teil. Es geht um die Freude am Singen und das gemütliche Zusammentreffen. Dieser Anfangsgedanke hat die Jahre überdauert und wird von uns gepflegt«, erklärt Balthasar Hauser. Aus den anfänglich drei Gruppen sind an die 30 geworden. »Und die kommen von überall her. Aus Tirol genauso wie aus der Schweiz, Südtirol bis hin nach Salzburg, Oberösterreich und Bayern.« Bei dem letzten Wort blickt Balthasar Hauser zu seiner Frau. »Es war 1977. Die Reith-im-Winkl-Sänger waren wieder einmal der Einladung meiner Eltern gefolgt und hatten ihre Nichte mitgenommen. Magdalena. Sie hat mir so gut gefallen, dass ich sie kurz darauf in Reith im Winkl besucht habe und heute singen schon unsere drei Kinder mit uns beim Sängertreffen«, schmunzelt der Stanglwirt. Dass sie selbst nicht auftreten, können sich die beiden ganz und gar nicht vorstellen.
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