Mit dem Taktstock gegen den Strom

Mit dem Taktstock gegen den Strom

Unter den Kapellmeistern zählt Hermann Ortner nach über 40 aktiven Jahren zum Urgestein. Dazu ist der Ellmauer Musiker und Direktor der Ellmauer Musik-Volksschule bekannt wie ein bunter Hund; für seine musikalischen Qualitäten genauso wie für seine durchaus schrägen Ideen.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPHOTO/Florian Egger
»Im Grunde war es eine wahnwitzige Idee.« Hermann Ortners Augen blitzen spitzbübisch, als er von seinem Plan im Jahr 2008 erzählt. Er war gerade drei Jahre Kapellmeister bei der St. Johanner Blasmusikkapelle. Für seine besonderen Projekte war er schon lange reihum bekannt, sein Vorhaben für den 10. Februar 2008 sorgte aber selbst bei Kollegen für Kopfschütteln. Der Ellmauer ist heute noch sichtlich amüsiert über die Reaktionen auf seine Ankündigung, an diesem 10. Februar um sechs Uhr früh ein Kirchenkonzert zu veranstalten. »Ich wollte wissen, wer für unsere Musik so zeitig aufsteht und in die Kirche geht. Wobei, ganz ehrlich, als der Tag näher rückte, hatte ich doch einige schlaflose Nächte und Sorge, dass wir alleine in der Kirche spielen werden.«

DER WEIN UND DAS SEIL

Seine Musikleidenschaft wurde Hermann Ortner in die Wiege gelegt. Sein Vater war Obmann der Musikkapelle. Er selbst lernt schon als Kind Trompete, steigt mit 17 in einer Tanzkapelle ein. Das Sprungbrett zur Blasmusik liefert die Militärmusik, in deren Rahmen er die Ausbildung zum Blasorchesterleiter absolviert. Er ist gerade einmal 19 Jahre alt, als er in Scheffau Kapellmeister wird. Schon bald zeigt sich sein Hang zu ungewöhnlichen Projekten. »Oh ja, ich weiß noch als ich vorschlug, ein Almblasen auf der Walleralm zu veranstalten. Selbst der TVB meinte damals: das interessiert niemanden. Ich habe es trotzdem gemacht und die Zuseher haben uns regelrecht überrannt.« Genauso wie bei den Dorfabenden in Scheffau, die Hermann ins Leben ruft. Das normale Platzkonzert verwandelte er in ein wöchentliches Ortshighlight mit Modenschau, Dorfpräsentation und Standeln. Man muss den Menschen etwas bieten, dann kommen sie, lautet sein simples Rezept. Geboten hat der Ellmauer wahrlich viel. Einmal ist er sogar, an einem vom Schuldach zum Kirchturm gespannten Seil, zum Dorfabend »eingeflogen«. Hermann Ortner liebt die Herausforderung in der Musik und bei seinen Auftritten. Und wenn etwas in der Musik nicht möglich erscheint, wagt er es erst recht. So wie damals in St. Johann.

DER REIZ DES ZUSCHAUERMANGELS

»Ich hatte nach 26 Jahren gerade meine Kapellmeistertätigkeit in Scheffau niedergelegt, als ich von St. Johann die Anfrage bekam, die dortige Blasmusikkapelle zu leiten.« Hermann ist wenig begeistert und fährt den Sommer über kaum motiviert zu drei Platzkonzerten. »Bei dem ersten waren mehr Musikanten auf der Bühne als Zuhörer im Publikum. Beim zweiten saß ich vor einem Lokal auf der Terrasse. Der Kellner meinte zu mir nur, ‚ahh schon wieder so ein Konzert, da geht eh keiner hin´.« Als die Musiker auch beim dritten Mal recht einsam sind, fängt Hermann Feuer. »Was andere abschrecken würde, hat mich gereizt«, lacht er. Hermann

»Dirigieren ist Gefühlsaustausch mit Musikern und Publikum.«

Hermann Ortner, Kapellmeister & Musiker

bekam, die dortige Blasmusikkapelle zu leiten.« Hermann ist wenig begeistert und fährt den Sommer über kaum motiviert zu drei Platzkonzerten. »Bei dem ersten waren mehr Musikanten auf der Bühne als Zuhörer im Publikum. Beim zweiten saß ich vor einem Lokal auf der Terrasse. Der Kellner meinte zu mir nur, ‚ahh schon wieder so ein Konzert, da geht eh keiner hin´.« Als die Musiker auch beim dritten Mal recht einsam sind, fängt Hermann Feuer. »Was andere abschrecken würde, hat mich gereizt«, lacht er. Hermann nimmt den Kapellmeisterposten an und ein Jahr später drängen sich die Besucher am Konzertplatz. »Was dafür der genau Grund war, weiß ich gar nicht. Ich habe es einfach geschafft, eine Brücke zu den St. Johannern zu legen. Ja und nach drei Jahren wollte ich es dann einfach wissen: kommen die St. Johanner wegen uns auch um sechs Uhr früh in die Kirche?«, spielt er auf besagten 10. Februar vor elf Jahren an.

DER FRÜHE VOGEL MUSIZIERT

»Wir hatten keinen Vorverkauf und wussten daher überhaupt nicht, wie viele Zuhörer kommen. Um halb sechs begannen wir mit dem Einspielen. Mir war ganz und gar unwohl. Und dann ging die Tür auf und ein Paar mit Tochter kam herein. Ich hab sie gefragt, was sie jetzt schon da machen. Und sie meinten nur, sie haben sich mit der Anfahrt aus Innsbruck verschätzt. Als ich hörte, dass sie extra aus Innsbruck angereist waren, dachte ich nur: das kann nicht sein.« Doch es sollte noch besser kommen. 15 Minuten vor Konzertbeginn geht die Türe auf und nicht mehr zu. Um sechs Uhr, ist das Gotteshaus bis auf den letzten Platz gefüllt. Inzwischen schwingt Hermann Ortner seit über 40 Jahren den Taktstock. »Wobei die Aufgaben weit über das reine Handwerk hinaus gehen. Du sollst motivieren, ein Gespür für das Programm haben, relevante Kontakte pflegen. Das Handwerk des Dirigierens alleine genügt sicher nicht. Dieses Drumherum macht rund Dreiviertel der Kapellmeister-Arbeit aus.« An längere Ferien war daher in den vergangenen Sommern nie zu denken. »Nach vier Jahrzehnten sagst du da schon einmal: es reicht.« Und so wird Hermann Ortner Ende 2021 den Taktstock niederlegen. Musiziert wird natürlich weiterhin, immerhin gibt er Trommelkurse und ist seit Oktober 2016 Mitglied der Koasa Combo.

Rennlegende mit Weltraumträumen

Rennlegende mit Weltraumträumen

Bodennebelbeim Landeanflug in München führte dazu, dass der einstige Profi-Rennfahrer Hans-Joachim Stuck seit 30 Jahren in der Kaiserregion lebt. Ein berühmter Wahl-Ellmauer mit einer eigenen Beziehung zu Wanderwegen und einem galaktischen Wunsch.
TEXT: Adriane Gamper FOTO: GPHOTO/Günther Fankhauser
»Ich war gerade am Rückflug aus den USA. Wir waren schon über München im Landeanflug, da machte der Bodennebel dem Piloten einen Strich durch die Rechnung. Wir saßen also noch länger in der Luft fest und da bückte ich mich zu der Zeitung, die am Boden neben mir lag und begann zu lesen. Und dann sah ich diese eine Annonce.« Hans-Joachim Stuck kann sich noch genau an diesen Moment erinnern, der den damaligen Deutschen mit deutsch-österreichischer Doppelstaatsbürgerschaft in einen leidenschaftlichen Tiroler verwandelte. »Ja, diese Annonce hat mein Leben von Grund auf verändert. Wunderschöner Bauernhof in Oberwindau zu verkaufen stand dort. Diese paar Zeilen zogen mich magisch an.« Er nahm den Ausschnitt mit, schaute sich den Hof an und sagte seiner damaligen Heimat Garmisch lebe wohl. Das war im Jahr 1989 seither liebt er die Kaiserregion. Westendorf, Going, Ellmau waren seine Stationen. Im Berg Bergdoktordorf ist er längst heimisch, die deutsche Staatsbürgerschaft hat er gar auslaufen lassen. Bereut hat er seine Entscheidung nie, vor allem wegen den Bergen und dem Wandern, das er auf seine ganz eigene Art umsetzt.

UNBEKANNTE PFADE AM KAISER

»Ich habe beruflich lange in Florida gewohnt, das Meer war schön, Motorboote und das ganze Tralala. Aber ich bin nicht der Beachmensch. Das Meer ist im Grund immer gleich, ganz im Gegensatz zu den Bergen. Es gibt nicht Interessanteres. Ein Berg verändert sich mit dem Wetter, sieht jeden Tag anders aus.« Schon beim Frühstücken blickt die Rennlegende auf den Kaiser und so oft es geht, ist er dort auch wandernd unterwegs. »Zu den Schleierwasserfällen, entlang des Jakobswegs. Es gibt tausende Steige und da drängt mich schon die Entdeckerlust. Wenn meine Frau und ich einen neu en Pfad finden, hält uns nichts zurück. Wenn du mutig bist, gibt es nichts Schöneres als unbekannte Wege zu ergehen. Verlaufen kannst du dich hier ja nicht.« Der 69-Jährige ist ständig aktiv. Sporteln, Basteln an seinen Autos, Golfen oder Skifahren. Hans-Joachim Stuck bezeichnet sich selbst als »Springingerl« auch wenn er in den letzten Wochen den Mittagsschlaf für sich entdeckt hat. »Ich bin ganz bewusst so aktiv, vor allem beruflich. Mein Papa hat mit 60 Jahren aufgehört zu arbeiten und daraufhin sehr schnell abgebaut. Wenn das Gefühl fehlt, gebraucht zu werden, passiert das einfach.«

WENN DAS MEER UNTEN IST

Zuletzt saß Hans-Joachim Stuck vergangenen Oktober im Rennauto. »Ich fahre zwar keine Rennen mehr, aber ich mache am Nürburgring Taxifahrten mit einem R8 Rennwagen, in dem ein zweiter Sitz eingebaut wurde.« Sieben, acht Einsätze hatte er im Vorjahr und zwischendurch fährt er für Reifentests. »Wenn ich länger auf keiner Rennstrecke unterwegs bin, vermisse ich schon etwas. Ich freu mich auf jede Fahrt, alleine dieses Gefühl beim Einsteigen. Ganz ehrlich, würde um Zwei Uhr nachts jemand mit einem Turboporsche vor meiner Türe stehen und sagen ‚fahren wir schnell nach Stuttgart‘, ich wäre in drei Sekunden angezogen und im Auto«, schmunzelt Hans-Joachim Stuck. Auf die Frage, ob er nach allem was er schon erlebt hat noch ein großes Ziel hat, kommt noch im gleichen Augenblick ein bestimmtes »Oh, ja!« gefolgt von einem lautem Lachen. »Ich würde unglaublich gerne in den Weltraum fliegen. Du sitzt im Wohnzimmer und schaust auf die Berge, du fährst ans Meer und siehst das Wasser. Dass die Erde rund ist, zeigt sich dir nirgends. Ich will diese Kugel einmal mit eigenen Augen sehen, dieser Anblick, wenn das Wasser auf der Erdkugel unten ist. Also sobald Allflüge bezahlbar sind, bin ich dort oben.«

»Ich bin ein Springingerl. Arbeite heute immer noch an die 250 Stunden im Jahr.«

Hans Joachim Stuck, Rennlegende und Wahl-Ellmauer

Sprache ist meine Musik

Sprache ist meine Musik

Eigentlich wollte Eva Maria Gintsberg aus Scheffau Musik und Tanz studieren. Das Schicksal wollte es anders. Und dennoch: Melodie, Rhythmus, Sprache und die Bühne haben am Ende doch die Oberhand gewonnen. Und von ›Ende‹ kann nicht die Rede sein, immerhin steht sie kurz vor der Veröffentlichung ihrer ersten Erzählung.

Text: Simone Embacher FOTO:  GPHOTO/ Florian Egger, Ruppert Larl, Thomas Schrott

Maria, Du hast eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Fachkraft. Zu deinen Tätigkeiten gehörte unter anderem Mäusen die Haut abzuziehen und Hühnern das Blut abzuzapfen, obwohl deine Leidenschaft für die Musik und den Tanz brannte. Gab es einen Moment der Wende? Ja, da war ich in einem Forschungslabor und einige Zeit davor war ich ein halbes Jahr auf der Schauspielschule am Tiroler Landestheater. Dann habe ich einem Schauspiellehrer in Zürich vorgesprochen. Er meinte: »Unbedingt weitermachen«. Zwei Wochen nach deiner Kündigung mit 23 Jahren hast du dein erstes Engagement erhalten. Im Treibhaus in Innsbruck hast du in Nestroys »Häuptling Abendwind« die Attala verkörpert. Wie fühlte sich das an? Großartig, genau das wollte ich. Spielen und singen. Eine lässige Inszenierung, mit tollen Musikern, Florian Bramböck, Stefan Costa… Es war immer voll. Die Menschen standen Schlange bis zur Straße raus, um Karten zu bekommen. Dann war ich ziemlich viel unterwegs. In Österreich, der Schweiz, auch hin und wieder in Deutschland.Mit dem Schauspiel allein war es aber nicht getan. Sprache spielte immer eine entscheidende Rolle in deinem Leben. Du bist das Nesthäkchen in der Familie und du hast mir einmal erzählt, dass du immer noch hörst, wie dein Vater im fortschreitenden Alter wiederholt zu dir sagte: »Ich versteh dich nicht, du redest so leise.« Was hat das mit dir gemacht? Man will gehört werden vom eigenen Vater, aber nicht nur das, man möchte »verstanden« werden. Vielleicht ein Grund auf der Bühne stehen zu wollen. – Nach der ersten Schwangerschaft, ich habe zwei Kinder, konnte ich nicht mehr so viel unterwegs sein. Also habe ich angefangen Sprech- und Stimmtrainings zu machen. Dann auch Literaturprogramme mit Musikern, wo ich nicht nur lese, sondern auch singe. Ich bin zur Vorleserin geworden. Es gibt Anfragen von Schulen, Firmen und Privatpersonen. Ich biete literarische Picknicks an in meiner Küche oder in der Küche der Auftraggeber. Einmal wurde ich von einer älteren Dame engagiert, der ich zu Hause vorgelesen habe. Mittlerweile unterrichtest du Schauspieler, Lehrer und alle, die an ihrer Stimme arbeiten wollen. Was macht die Stimme so besonders? Ich habe vor ungefähr 20 Jahren noch eine Stimmausbildung bei Maria Höller-Zangenfeind gemacht. Eine großartige Frau. Sie hat eine Methode entwickelt, nach der ich immer noch arbeite. Sobald man an der Stimme arbeitet, arbeitet man an sich selber. Es geht um Haltung, um Präsenz. Nicht die Lautstärke ist entscheidend. Es kann eine zarte Stimme, so wie es meine auch ist, Kraft haben, wenn man weiß, wie man sie gezielt einsetzt. Und da geht’s um den ganzen Körper. Stimme von Fuß bis Kopf. Die Stimme ist mein Werkzeug. Man hört mir offenbar auch gerne zu,

Redewettbewerb

Rhetoriktalent mit Meinung.

Die sich in der Lehre befindende Nathalie Nunner aus Scheffau stellte sich mehrmals einer Herausforderung, die manche schon bei dem Gedanken daran nervös werden lässt: vor hundert Menschen frei eine stolperfreie Rede zu halten. Und das zu einem prekären und polarisierenden Thema.
»Mein Magen schreit!« Das Hungergefühl kennt jeder. Doch gerade bei Jugendlichen, die ihren Körper mit dem anderer – teils auch mit retuschierten und kaum der Realität entsprechenden Bildern aus Medien – vergleichen, kann das Gewicht zu Unsicherheiten führen und das Essverhalten beeinflussen. Diäthalten oder verminderte Nahrungsaufnahme sind hierbei keine Seltenheit. Der Extremfall führt in die Magersucht (Anorexia nervosa). Personen weigern sich unter extremer Kontrolle, ihr Minimalkörpergewicht zu halten. »Es ist ein sehr bewegendes Thema«, nennt Na-thalie ihre Gründe, darüber in »Mein Magen schreit!« zu sprechen. »Ich habe auch selbst erlebt, wie eine Klassenkameradin magersüchtig wurde. Oft meinen Jugendliche auch, dass sie viel zu dick sind, obwohl sie mittlerweile schon zu dünn sind. Mich hat das sehr schockiert.« Was Magersucht wirklich ist, welche Schönheitsideale es in der Gesellschaft gibt und was die teils heftige Bildbearbeitung der Medien mit den Menschen macht – darüber sprach sie unter anderem. »Ich habe auch ein französisches Model eingebaut, das magersüchtig war, aber jetzt nicht mehr ist.« Ihr Resultat: Jeder ist schön – egal ob dick oder dünn. Die inneren Werte zählen.

Auf großer Bühne

»Zuerst wollte ich beim Redewettbewerb nicht teilnehmen«, erinnert sich Nathalie zurück, die sich derzeit in einer Lehre als Bürokauffrau bei Spar befindet und die TFBS für Wirtschaft und Technik Kufstein-Rotholz besucht. »Dann habe ich aber sehr viel Zuspruch erhalten und bin schlussendlich dazu überredet worden.« Zum Glück – im Nachhinein gesehen. Denn in der Berufsschülerin steckt ein wahres Redetalent. Schon auf Bezirks-ebene hängt sie mit ihrer klassischen Rede alle Mitbewerber in der Kategorie »Werktätige Jugendliche sowie Schülerinnen und Schüler der Berufsschulen Jahrgang 1998 bis 2003« ab und freute sich über den Sieg. Das verschaffte ihr zudem das Ticket zur Landesausscheidung in Innsbruck, dort holte sie sich wieder den ersten Platz und durfte Ende Mai zum Bundesfinale in Wien fahren. Doch warum eine klassische Rede? Es hätte auch noch die Kategorien »Neues Sprachrohr« und »Spontanrede« gegeben. »Ich hatte die Rede schon in der Schule vorbereitet und mehrmals vorgetragen. Da war es naheliegend, dass ich in dieser Kategorie antreten werde«, beschreibt Nathalie. »Zudem ist das Kreative, das bei ›Neues Sprachrohr‹ gefordert wird, nicht so meines.« So oder so – die Vorgaben des Wettbewerbs sind herausfordernd: Die klassische Rede muss frei gesprochen werden, außer einem Konzept sind keine weiteren Hilfsmittel erlaubt. Die Dauer von sechs bis acht Minuten ist einzuhalten, nach dem Vortrag stellt ein Interviewer Fragen. »Ich habe mir schon einen Ruck geben müssen. In jedem Fall ist es aber eine gute Übung, frei vor Menschen zu sprechen. Und ich habe es geschafft«, lächelt sie. Bewertet wurden beim Vortrag Darbietung, Aufbau, Inhalt und Originalität der Rede. »Sprechen konnte man zu einem freigewählten Thema. Man musste möglichst frei vortragen, mit Mimik und Gestik, das Publikum sollte angesprochen werden.« Und das beim Bundesfinale vor rund hundert Zuschauern.

Unsicherheiten verflogen

So wie es den meisten geht, verspürte auch Nathalie vor ihrer Rede Nervosität. Als sie dann aber auf der Bühne stand, war alles wie weggewischt. Es zählte nur mehr der Inhalt und ihre Performance. Sie atmete einmal tief durch und redete. Erleichterung überkam sie nach den rund acht Minuten auf der Bühne. »Die Rede ist, für mich überraschenderweise, sehr gut angenommen worden«, resümiert die 18-Jährige. »Auch wenn das Thema oft in den Schulen diskutiert wird, habe ich es von einer anderen Seite beleuchtet. Ich habe nicht nur Fakten aufgezählt, sondern bin auf das eingegangen, was es wirklich ist.« Das brachte ihr beim bundesweiten Finale den zweiten Platz ein.
TEXT: Alexandra Embacher FOTO: Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

Lego League

Querdenker am Start.

Mit einem Spiel an sich hat die First Lego League wenig zu tun. Es geht um Strategie, Umdenken und Kooperation in der Gruppe. Die Neue Mittelschule Söll Scheffau schickt bereits seit elf Jahren Teams zu dieser Herausforderung – mit großem Erfolg, wie die Teilnahme am »FLL Open International Türkei« der aktuellen Gruppe zeigt.
Bei der First Lego League finden junge Techniktalente eine Bühne, um ihr Können zu zeigen. Da technikaffine Schülerinnen und Schüler an der NMS Söll Scheffau nicht rar sind, formierte sich für den internationalen Wettbewerb
2018/19 unter dem bewährten Namen »The funny SAPROBOTS« ein Team aus neun Jugendlichen quer aus den Klassen. Je nach Kompetenz teilten sie in der Gruppe die Aufgaben auf. »Die einen haben bei der Forschungspräsentation
mitgeholfen, die anderen haben sich bei der Programmierung des Roboters eingebracht«, erinnert sich Salina Lackner, sie war Teil des Wettbewerbsteams. Beigebracht haben sich die Schülerinnen und Schüler das Wissen und Können für die Lego League größtenteils autodidaktisch, Hilfe bekamen sie dabei von den Coaches Anna Gräber, Carmen Bichler, Peter Koller und Dietmar Lackner.

Mit Geschick ans Ziel

Die First Lego League (FLL) ist ein internationaler Contest und gilt als der weltgrößte Forschungs-, Roboter- und Teamwork-Wettbewerb für 9- bis 16-Jährige. In der vergangenen Saison stand die FLL unter dem Thema »Into Orbit« und ist in vier Kategorien eingeteilt. Punkte gab es für den Bau und die Programmierung eines Roboters (Robot-Design), die Lösungsfindung zu einer selbst erforschten Problemstellung zum Thema (Forschungsprojekt), vorhandenes Teamwork und dem Robot-Game, das auf einem 2,5×1,5 Meter großen Spielfeld ausgetragen wird. Dort müssen in nur 150 Sekunden möglichst viele der 15 vorgegebenen Aufgaben vom Roboter selbständig erledigt werden. »Der Wettbewerb ist daher multidisziplinär, es gibt für alles Schwerpunkte«, beschreibt Dietmar Lackner. »Nach diesen Kategorien haben auch wir Coaches uns aufgeteilt. Anna Gräber und Carmen Bichler waren beispielsweise für die Performance bei der Präsentation zuständig.« Beim Teamwork trainierte man ebenso. Mit spontanen Aufgaben wurden das Team vor neue Herausforderungen gestellt, die es gemeinsam zu lösen galt. »Wir begannen uns ab August vorzubereiten, im November bestritten wir den ersten Wettbewerb«, setzt die Schülerin fort. Beim Regionalwettbewerb in Innsbruck schnitt die Gruppe hervorragend ab und wurde Champion in Tirol. Dieser erste Platz verschaffte ihnen den Sprung nach Bad Radkersburg zum Österreich-Finale, mit einem zweiten Rang absolvierten sie diese Herausforderung und sicherten sich so das Ticket für den dritten Bewerb: dem zentraleuropäischen Finale in Bregenz. »Wir schafften es zwar nicht mehr auf die vordersten Ränge, aber wurden trotzdem zum ›Open International‹ in der Türkei eingeladen«, sagt sie. Und damit durften »The funny SAPROBOTS« als eines von 82 Teams aus aller Welt an den Start gehen und den Wettbewerb bestreiten. »Das ist unglaublich, was alles bereits in so jungen Schülerinnen und

Wettbewerbsteam
»The funny SAPROBOTS« 2018/19:
Jona Waldauf
Patrick Exenberger
Thomas Feiersinger
David Galvacsi
Simon Vögele
Philipp Treichl
Salina Lackner
Lara Winter
Sophie Treichl

Schülern schlummert«, beschreibt die Direktorin der NMS Anna Gräber. »Vor allem muss das Team sowohl die Forschungsarbeit als auch die Fragen der Jury ad hoc beantworten, und das ab der dritten Runde in englischer Sprache. Das alleine ist schon eine ziemlich große Herausforderung für das Team, welche aber durch die große Spracherfahrung von Carmen Bichler bewältigt werden konnte.« Im Übrigen war die Teilnahme in der Türkei nur durch die großzügige Unterstützung der Sponsoren möglich, für die sich »The funny SAPROBOTS« nochmal ausdrücklich bedanken möchten.

Wissenschaft vereint

Kinder und Jugendliche in frühen Jahren für Naturwissenschaft und Technik begeistern, die Entwicklung von Teamgeist bei den teilnehmenden Gruppen fördern und Kinder und Jugendliche anspornen, komplexe Aufgaben kreativ zu lösen – das sind die primären Ziele der First Lego League. »Mir gefällt aber auch, dass die Kinder in den Soft Skills besonders viel lernen können«, spricht Dietmar Lackner an, er unterstützt das Team als Privat- und nicht als Lehrperson. »Das sind unter anderem Teamfähigkeit, Aufgabenbewältigung, Strukturiertheit in der Arbeit – da können die Kinder viel für das weitere Leben mitnehmen.« Auch Peter Koller ergänzt: »Beim Wettbewerb gibt es eine Philosophie. Es kommt darauf an, dass die Teammitglieder die sechs Grundwerte Entdeckung, Innovation, Wirkung, Inklusion, Teamwork und Spaß bereits in der Vorbereitungszeit verinnerlichen und auch leben.« Und vor allem der Spaß an der Sache ist entscheidend und darf nicht zu kurz kommen. Den haben »The funny SAPROBOTS« gemeinsam mit ihren Coaches. Und so konnten sie sich den beachtlichen 13. Platz im »Robot-Game« in der Türkei sichern. Motiviert von den vergangenen Erfolgen ist das Team in neuer Zusammensetzung bereits in die nächste Saison mit dem Thema »City Shaper«  gestartet.
TEXT: Alexandra Embacher FOTO: Anna Gräber, Carmen Bichler, Peter Koller und Dietmar Lackner

Kaminkehrermeisterin

Reines Glück für die Umwelt.

Sie gelten als Glückssymbol und arbeiten im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes, des Umweltschutzes und der Energieeinsparung: Rauchfangkehrer. Nadya Prem aus Scheffau hält als Kaminkehrerin – so der Ausdruck im Volksmund für diese Berufsgruppe – die Schornsteine am Wilden Kaiser intakt. »Wenn ich am frühen Morgen auf einem Dach stehe und die Sonne aufgehen sehe, weiß ich, dass ich meinen Beruf liebe.«
Schwarzer Ruß auf den Händen, der Kleidung und im Gesicht – so stellen sich viele die Kaminkehrer bei ihrer Arbeit vor. Ganz unrecht haben sie damit nicht, die Tätigkeit der Rauchfangkehrer umfasst aber einiges mehr als das bloße Reinigen des Kamins. »Der Rauchfangkehrer reinigt, überprüft und wartet alles rund ums Heizen. Dazu gehört die Reinigung von Rauchfängen, Zentralheizungen sowie Einzelfeuerstätten. Überprüft werden im Zuge dieser Arbeiten auch alle abgasführenden Teile so
wie Verbrennungseinrichtungen auf ihre Sicherheit und Dichtheit«, sagt Nadya Prem. Sie sorgt seit mehr als 23 Jahren und seit 2011 als Kaminkehrer-Meisterin für Sicherheit in Heizungsanlagen und führt laut dem Gesetzgeber »gefahrenabwehrende Kehrungen« in den Kaisergemeinden durch. »Auch die Beseitigung von Mängeln beziehungsweise Brandgefahren ist ein wichtiger Punkt des Rauchfangkehrerhandwerks. Von Kaminabnahmen in Rohbauten und Endabnahmen sowie Beratung und Überprüfung bei
Neu-, Zu- und Umbauten bis hin zu Informationen über erste Löschhilfen – über all das muss der Rauchfangkehrer Bescheid wissen. Wartungen von Öl- und Gasbrennern sowie modernen Pelletsöfen gehören ebenso zum Berufsbild des Rauchfangkehrers.« Mit dem Ziel, durch die regelmäßigen Arbeiten Kaminbrände und Brände aufgrund von Feuerstätten verhindern und gleichzeitig einen sicheren, störungsfreien und energiesparenden Betrieb der Heizungsanlagen sicherstellen zu können.

»Es ist ein schönes Gefühl für mich zu wissen, dass ich als Glückssymbol Haus und Hof schütze sowie die Menschen, die darin wohnen.«

Nadya Prem, Kaminkehrer-Meisterin

Umweltschutzgedanke

Heutzutage nutzen die früheren »Rußknechte« auch moderne Messgeräte und sind in ihrer Arbeitszeit viel mit der Messung von Abgaswerten beschäftigt – ein Wandel zu Umweltschützern wird dem Berufsstand nachgesagt. »Ein Grund für regelmäßige Kehr- und Messarbeiten ist der Umweltschutz. Messungen an Heizkesseln haben gezeigt, dass bereits 1 mm Ruß den Wirkungsgrad eines Heizkessels um fünf Prozent reduziert, das bedeutet 1 mm Ruß ist gleich fünf Prozent mehr Kosten. Daher ist es aus energetischen Gründen besonders wichtig, dass Heizflächen und Wärmetauscherflächen in regelmäßigen Abständen sauber gemacht werden«, bekräftigt sie den Umweltgedanken. »Um es einfach zu erklären: der Kamin ist das Atmungsorgan des Heizsystems. Und wer innen mit Ruß und Schmutz belegt ist, kann nicht frei atmen. Verrußte Feuerungsanlagen sind nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern kosten dauerhaft unnötig Geld.«
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Wie oft muss gekehrt werden?

Eine Frage, die viele beschäftigt. Prinzipiell ist das abhängig vom verwendeten Brennstoff, die Häufigkeit der Kehrungen ist in der Tiroler Feuerpolizeiordnung geregelt. »Schaut man sich diese genauer an, findet man die Floskel ›Überprüfen und bei Notwendigkeit reinigen‹. Diese bedeutet, dass bei Feuerstätten und Abgasanlagen zuerst überprüft werden muss, wie starksie verrußt sind«, weiß Nadya. »Dann muss der jeweilige Rauchfangkehrer entscheiden, ob es bei dieser Überprüfung bleibt oder ob er auch kehren muss. Wird ein Ofenrauchfang beispielsweise im Sommer selten benützt, genügt es, wenn der Rauchfangkehrer einen Blick hineinwirft, um festzustellen, ob wirklich keine brennbaren Rückstände drinnen sind.« Durch den Rauchfangkehrer überprüfungspflichtig sind sämtliche Rauchfänge sowie Zentralheizungskessel. Dabei werden händisch beschickte Festbrennstoffanlagen (Holz) gewöhnlich viermal jährlich, automatisch beschickte (Pellets, Hackgut) zweimal jährlich und Öl- und Gasfeuerstätten einmal jährlich überprüft und im Falle des Falles gereinigt. »Die Anzahl der Reinigungen beziehungsweise Überprüfungen ist nur davon abhängig, ob eine Feuerungsanlage benutzt wird oder nicht. Der Jahrestarif bleibt aber immer der gleiche«, führt die Rauchfangkehrerin weiter aus. »Das ist vergleichbar mit einem Auto. Für das braucht man ein Pickerl und eine Nummerntafel, wenn man es benutzen will – egal wie viele Kilometer man im Jahr zurücklegt.«

Ein Glücks- und Schutzsymbol

Fremd war Nadya dieser Berufsstand nie, der Beruf wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. »Ich bin mit dem Beruf des Rauchfangkehrers groß geworden, die Firma wird schon in dritter Generation von uns geführt«, erzählt sie. »Jedes Dach und jeder Baum, egal wie hoch sie waren, wurden schon von mir als kleines Kind erklommen. Daher wusste ich bereits ganz früh, dass ich einmal in die Fußstapfen meines Opas und Vaters treten werde. Und möchte mich hiermit bei allen bedanken, die mich auf dem Weg unterstützten: bei meiner Mutter Margit, die solange die Firma aufrechterhalten hat und meinem Vater Pepi, der mir das Unternehmen anvertraute. Bei meinem verstorbenen Opa Hans, der mir die Meisterprüfung finanzierte. Bei meiner Schwester Evelyn und meinem Freund Daniel, die mich in meiner Firma unterstützen. Und natürlich bei meinen Mitarbeitern Dominik, Tom, Alex und Sigi (Rente) – wir sind ein super Team, vielen lieben Dank für euer Bemühen.« Auch, dass der Rauchfangkehrer ein altes Glückssymbol ist, faszinierte die Kaminkehrer-Meisterin schon früh. Sie weiß auch den Grund dafür: »Früher war es eine Katastrophe, wenn der Kamin verstopft war oder schlecht zog, Rauchgasvergiftungen oder Kaminbrände waren keine Seltenheit. Deshalb war der Besuch des Rauchfangkehrers auch so wichtig: Er reinigte den Kamin – Weg mit dem ›Pech‹, her mit dem Glück! – und sogleich zog wieder Sicherheit und Gemütlichkeit ins Haus ein. Dies machte ihn zu einem gern gesehenen Gast – und über die Jahrhunderte eben auch zu

Tipps für einen sauberen Kamin

»Das Wichtigste für einen sauberen Kamin ist die Verwendung von geeignetem Brennstoff und ausreichend Verbrennungsluft«, rät Nadya. »So darf zum Beispiel nur trockenes und unbehandeltes Holz verfeuert werden. Mit Lack behandeltes Holz oder gar Spanplatten und Müll haben in einer Feuerstätte absolut nichts verloren. Dies schadet nämlich nicht nur der Umwelt, sondern auch der eigenen Feuerstätte, und die Gefahr eines gefährlichen Rauchfangbrandes steigt um ein Vielfaches.« Auch das richtige Anzünden einer Feuerstätte will gelernt sein und wird oftmals unterschätzt.

Schritt für Schritt richtiges Heizen:
1) Ofenraum säubern
2) Fenster öffnen (Verbrennungsluft)
3) Primär- und Sekundärluft ganz öffnen
4) Holzmenge entsprechend der Bedienungsanleitung auflegen
5) umweltfreundliche Zündhilfe unter die Holzspäne legen
6) kleine Holzspäne gekreuzt übereinander auflegen
7) von oben anzünden
8) Luftklappen geöffnet lassen
9) rasch kräftiges Feuer herstellen
10) Luftzufuhr drosseln, aber nicht völlig verhindern

POSITIV:
helle, hohe Flammenbildung
keine oder wenig Rauchbildung
weiße oder hellgraue Asche
wenig oder keine Rußablagerungen
im Feuerraum oder bei der Glastüre

NEGATIV:
dunkle, niedrige Flammen
starke Rauchbildung
dunkle Asche
glänzende Rußablagerungen
unverbrannte Brennstoffteile

Text: Alexandra Embacher
Foto: GPhoto /Martin Guggenberger

Der Polizist

Guten Tag Herr Kommandant

Ich hatte immer ein differenziertes Verhältnis zur Polizei. Man liest und hört im Zusammenhang mit dieser auch recht wenig Gutes – von strafbaren Handlungen, Verkehrsüberwachung oder Unfallkommandos. Da musste ein klärendes Gespräch her. Nun folgend was es heißt, am Wilden Kaiser ein Polizist zu sein.
Und dann saß ich da. Erster Stock, Polizeiinspektion Söll. Den Alltag von Ermittlern oder Inspektoren kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen. Der offiziell seit 1. März neue Kommandant der Polizeiinspektion Söll nahm mir gegenüber Platz. »Nachdem Österreich unter den sichersten Ländern der Welt ist und wir im Westen des Bundeslands nochmals bevorzugt sind, ist das Söllandl eines der sichersten Gebiete der ganzen Welt«, beginnt Johann Egger die erste Frage zu beantworten. Der Bad Häringer vollendet heuer sein 25. Exekutivdienstjahr und ist bereits seit 2010 als stellvertretender PI-Kommandant in Söll tätig. »Der Trend in der Kriminalität ist
derzeit auch rückläufig. Die Einbruchskriminalität ist eher im Sinken, die letzten Aufklärungszahlen sind wieder gestiegen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in solch einem sicheren Land leben.« Doch wofür brauchen wir dann die Polizei, wenn Ordnung und Sicherheit weitläufig gegeben sind?

»Auch wenn manche Situationen schwierig sind – unsere Hilfe steht im Vordergrund.«

DER UNTERSCHIED

Johann Egger

Inspektionskommandant PI Söll

Die Aufgaben der Polizei

Das Einsatzgebiet der Polizei Söll umfasst die drei Gemeinden Ellmau, Scheffau und Söll. »Da ist auf der einen Seite das alpine Gebiet der Hohen Salve und das ganze Skigebiet sowie auf der anderen Seite das Klettereldorado vom Wilden Kaiser. Für alle diese Bereiche sind wir zuständig«, erklärt der Kommandant. Dabei liegt der Schwerpunkt der Polizeiarbeit im Sicherheitsdienst, die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit sollen damit gewährleistet werden. »Dem gegenüber steht der Verkehrsdienst, bei uns laufen die B178 und B173 durch. Da haben wir die Aufgabe, die Sicherheit und die Flüssigkeit des Verkehrs durch unsere Überwachung aufrechtzuerhalten«, setzt Johann fort. »Es gibt hunderte, wenn nicht gar tausende Bestimmungen, die zu beachten sind.« Zudem kümmert sich die Polizei Söll um den Alpindienst in der Region. »Unser Arbeitsgebiet geht mit den Saisonen mit, nicht nur von den Straftaten her, sondern auch von den Vorfällen. Bei vielen Leuten passiert eben mehr – darunter sind ebenso ganz banale Sachen.«

Richtig die Polizei alarmieren

Apropos eher banale Sachen: Geldtaschenverlust oder kleiner Kratzer am Auto – auch für die Aufnahme solcher Anzeigen hat die Polizei ein offenes Ohr. »Da müssen wir als Polizisten aufpassen, für uns sind manches Alltagssachen. Für die Person, die hier Hilfe sucht, ist das aber ganz wichtig. In der heutigen Zeit ist beispielsweise ein Handyverlust oder -diebstahl ein riesiges Problem, weil man viele wichtige Daten damit verliert. Daher müssen wir allen Menschen helfen und alles ernst nehmen – auch wenn manches aus unserer Sicht Kleinkram ist,« beschreibt er. Braucht man schnell Hilfe oder hat etwas Kriminelles wahrgenommen, wird an die 133 ein Notruf abgesetzt. »Das Allerwichtigste beim Notruf ist, dass man sagt, wo man ist. Das ist oftmals gar nicht so leicht zu beschreiben.« Anschließend teilt die Person mit, was passiert ist – hierbei kann der Notrufsprecher entscheiden, dass er den Einsatz ebenso an einen anderen Notrufdienst weiterleitet. Der eigene Name wird erst im Zuge des Gesprächs genannt. »Der Notrufsprecher versucht anschließend beruhigende Anweisungen zu geben, was man als Nächstes machen soll. Da gehört ganz oft ebenso dazu, dass man schaut, dass das Mobiltelefon eingeschaltet bleibt und der Akku nicht durch unnötige Anrufe strapaziert wird. Sonst können sich zum Beispiel die Bergretter nicht mehr melden.« Der Notrufsprecher alarmiert derweil die zuständigen Streifen und setzt somit die Kette in Gang. »Von den schwereren Fällen vergisst man kaum einen. Mental muss man den Fall oder das Drama aber in einer Schublade im Kopf haben, in der man nicht traumatisiert daran zurückdenkt«, erzählt Johann aus seiner Vergangenheit als Polizist. »Nachdem man als Beamter natürlich auch ein Mensch ist, speichert man diese Sachen ab. Man muss aber alles mit einer Professionalität abarbeiten und irgendwann sagen: ›Wir haben unseren Teil geleistet‹. Alles andere ist Schicksal, das wir nicht mehr in der Hand haben.«

Das subjektive Sicherheitsgefühl

Im Bezirk Kufstein wurden 2018 4.539 Fälle angezeigt (-4,1 Prozent zum Vorjahr), die Aufklärungsquote lag bei 62 Prozent (+3 Prozent zum Vorjahr). Der Statistik kann man also entnehmen, dass der Bezirk immer sicherer wird – unter anderem durch die Arbeit der Polizei. Aber das Gefühl bleibt bei manchen, dass wir täglich erneuten Bedrohungen ausgesetzt sind. »Auch in einem der sichersten Länder der Welt gibt es das subjektive Sicherheitsgefühl. Das wird beeinflusst von vielen verschiedenen Faktoren und ist oft nicht die tatsächliche Kriminalität, sondern das Gefühl – wie werden Straftaten medial transportiert und wie fühle ich mich mit dieser Information«, weist Johann auf ein spannendes Phänomen hin. »Das Sicherheitsgefühl probiert die Polizei mit dem Projekt ›Gemeinsam.Sicher‹ an der Basisarbeit mit den Leuten zu besprechen. In der Kriminalprävention spricht man mit ihnen über Sicherheitslücken oder -mängel. Ein ganz großer Teil davon ist bei uns auch die Jugendarbeit, die Kinderpolizei. Da greift auch das Thema Cyberkriminalität.« Im Bereich Cyber Crime wurden laut aktueller Kriminalstatistik im vergangenen Jahr alleine im Bezirk Kufstein 1.631 Delikte angezeigt, was ein Plus von rund 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr darstellt.

»Die Polizei muss nahe am Bürger sein.«

Die Polizei verändert sich laufend: Früher war man mehr über den Bürger gestellt, heute flachen die Hierarchien zunehmend ab. »Das empfinde ich aber nicht als Nachteil, sondern als einen Vorteil. Der Kontakt zum Bürger ist auf Augenhöhe. Wenn es notwendig ist, dann muss das Gegenüber aber akzeptieren, dass die Polizei gewisse Dinge umzusetzen hat und dementsprechend muss man sich dem fügen«, sagt der Inspektionskommandant. »Ganz oft ist es bei Verkehrskontrollen so, dass die Leute sehen, dass das unsere Arbeit ist. Ich habe die Kleinigkeit gemacht und mit einer direkten Bezahlung vor Ort oder über die Behörde ist das dann wieder erledigt. Da sind wir ganz weit von einem schlimmen Menschen oder Verbrecher entfernt. Nach meinem Gespür gehört es dazu, dass bei einem Verkehrsteilnehmer auch einmal eine Sanktionierung nötig wird – das ist ganz normal.«

»Unser Inspektor für die Kinderpolizei informiert die Schüler über Gefahren des Alltags.«

Johann Egger

Inspektionskommandant PI Söll

Text: Alexandra Embacher
Foto: GPhoto /Martin Guggenberger

Kathrin Obermoser

Von einer, die brennt

»Lern was Gescheit’s, von dem du leben kannst!« Über diese und ähnliche Sätze musste sich Kathrin Obermoser in der Vergangenheit hinwegsetzen. Das war nicht immer einfach. Aber voller Passion und Ehrgeiz folgte sie ihrer inneren Stimme auf einem Weg, der sie zur Verwirklichung ihres Traumes führte.
»Musik war stets ein präsenter Teil in meinem Leben«, schildert die gelernte Kindergartenpädagogin. Aber nach dem Abschluss in Innsbruck hatte sie vor- erst genug vom Lernen und es drängte sie danach, eigenes Geld zu verdienen. In den folgenden acht Jahren arbeite- te sie in den Kindergärten von Wörgl und Ellmau. Ihre Leidenschaft für das Singen und Tanzen blieb jedoch unge- brochen und so säumten Auftritte mit »Francy’s’Bean«, »Black Honey« und als Hochzeitssängerin ihren Alltag.

INNSBRUCK – WIEN – MÜNCHEN

Durch Zufall las sie 2012 in der Tiroler Tageszeitung von einem anstehenden Casting für die Besetzung des Musicals »Joseph« am Landesjugendtheater in Innsbruck. Sie hat nicht lange abgewo- gen oder überlegt, sondern sich kurzer- hand beworben. Und der Mut hat sich bezahlt gemacht, denn sie wurde auf Anhieb genommen und für das Stück besetzt. Auch bei dem Musical »Zwerg- nase« im Folgejahr durfte sie mitwirken. »Mir hat das so gut gefallen und es war ganz klar, dass das genau das war, was ich tun wollte.« Es ereignete sich dann ein weiterer Zufall. Im Zug auf dem Rückweg von Wien, wo sie ein Musical im Raimund Theater besuchte, blätterte sie in der dort gekauften Musical Zeitschrift, als sie plötzlich von einem Tag der Offenen Tür an der Abraxas Musical Akademie in München las. »Ich wusste nicht ein- mal, dass es eine solche Schule gab und dachte mir, ›Genial, da fahr ich hin!‹ «, erklärt Kathrin mit leuchtenden Augen. »Nach diesem Tag war endgültig sicher, dass ich diese Ausbildung machen woll- te und musste.« Ohne ihre Eltern wäre es jedoch sehr schwierig geworden und sie ist heute sehr dankbar dafür, dass sie an sie geglaubt haben und ihr finanziel- le Unterstützung zugesichert haben.

LEHRJAHRE

Die Ausbildung an der Akademie be- steht aus drei Säulen: Tanz, Gesang und Schauspiel. »Es ist wirklich lässig, aber es ist auch sehr anstrengend und sie verlangt dir einiges ab. Manchmal gera- ten jüngere Menschen ins Schwärmen, wenn sie von meinem Beruf erfahren, aber ganz so einfach ist es nicht. Man sollte sich einige Aspekte vor Augen führen, bevor man sich für diesen Weg entscheidet. Zum einen sollte man na- türlich für mindestens eine Sparte Talent mitbringen, aber nicht minder wichtig ist eine Vorbildung. Wenn du da nicht schon über eine solide Basis verfügst, gehst du während der Ausbildungsjahre ein«, weiß die Dreißigjährige zu berich- ten. Denn die umfassende Ausbildung wird im Schnelldurchgang absolviert. Der Ballettunterricht in St. Johann, di- verse Tanzworkshops und auch die Erfahrungen als Musikerin halfen ihr dabei, das geforderte Pensum zu absol- vieren. »Aber ich habe extrem viel ge- lernt in der Zeit, besonders während der schauspielerischen Ausbildung. Sowohl für den Beruf als auch für den privaten Umgang mit Menschen. Ich hab jetzt ein Gefühl dafür, warum mein Gegen- über so reagiert, wie es reagiert. Da geht man in der Ausbildung schon sehr in die Tiefe und da kommt über kurz oder lang die verletzliche Seite eines jeden ans Ta- geslicht. Du musst dazu bereit sein, vie- les von dir preiszugeben. Besonders mit Emotionen probiert man sehr viel aus. Und so wie es wichtig ist, sich in diverse Gefühle ›hineinzufühlen‹, so ist es min- destens genauso wichtig da auch wieder ›herauszufinden‹, sonst schleppst du das den ganzen Tag mit dir rum. Aber das ist lernbar.«

INSPIRATION

Gute Lehrkräfte sind nicht immer selbstverständlich. Wichtig findet die Musi- caldarstellerin, dass man neben all der notwendigen Kritik auch motiviert und aufgebaut wird. »Denn, ist dem nicht so, kann es schon mal passieren, dass man plötzlich gar nichts mehr sieht, außer dem, was man eben nicht kann. Eine di- cke Haut zu haben, ist in jedem Fall von Vorteil.« Ebenso weiß Kathrin, dass man bewusst oder unbewusst immer von der Gesellschaft auferlegte Haltungen und Erwartungen in sich trägt. Sich von diesen zu befreien, sei ein entscheiden- der Teil der Ausbildung. Inspiration und Motivation fand Kathrin bei Alex Frei. Einem Dozenten, der zwar durchaus fordernd war und die Fronten von An- fang an klar stellte. Allerdings beruhte der Umgang miteinander auf gegenseitigem Respekt. »Er hat uns zum Beispiel auch klar gemacht, dass wir alle auf un- sere ganz individuelle Weise schön und perfekt sind. Ich kann es nicht beschrei- ben, aber bei ihm ist man einfach gern gewesen. Wenn er den Raum betreten hat, dann hat er ihn bis ins letzte Eck mit seiner Ausstrahlung ausgefüllt. Ein Zitat von Augustinus Aurelius hat er uns mit auf den Weg gegeben, das mich heute noch oft begleitet: ›In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.‹«

»Mittlerweile bin ich soweit, dass ich in Oberbegriffen wünsche.«

Kathrin Obermoser

Musicaldarstellerin aus Going

Text: Simone Embacher
Foto: Dieter Schnöpfl, GPhoto/Martin Guggenberger

Sozialsprengel

In den eigenen vier Wänden

Seit einem Vierteljahrhundert gilt der Gesundheits- und Sozialsprengel Söllandl als Anlaufstelle für Einheimische bei Fragen rund um Pflege oder Betreuung. Im Interview stellen sich Laila Wagner und Manuela Schonner vom Verein Themen der Gegenwart und Zukunft.

Mit einem Block, einem Bleistift und einem Telefon hat alles 1994 in einem Raum im Altersheim Scheffau begonnen. »Man kann die Anfänge des Sprengels mit heute nicht mehr vergleichen«, beschreibt die seit Jänner 2019 tätige Geschäftsführerin Laila Wagner. In den Anfangszeiten arbeiteten neben dem Fachpersonal viele engagierte Einheimische als Laienhelfer in der Pflege, seit einigen Jahren ist jedoch eine fundierte Ausbildung im Bereich der Pflege zwingend vorgeschrieben. Nach dem 1997 festgelegten Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) wird heute in Pfle- geberufen gearbeitet, um Qualität ge- währleisten und sichern zu können. Verändert haben sich nicht nur die An- forderungen des Berufsbildes, in den letzten Jahren kam es durch zahlreiche Pensionierungen zu einer stetigen Ver- jüngung des Personals. Mit 2019 haben sich die langjährigen und geschätzten Sprengelmitarbeiterinnen Bärbl Hauser, Anni Gruber und Resi Horngacher in den Ruhestand verabschiedet. »Mit dem Schritt in die Pension sind nun die letzten Mitarbeiterinnen der Gründergeneration in den Ruhestand getreten«, erklärt die Geschäftsführerin. »Wir sind aktuell ein sehr junges Team an Pflege- und Führungskräften«

EINES HÄLT DAS ANDERE

Der Grundgedanke des Gesundheits- und Sozialsprengels Söllandl hat sich in seinem 25-jährigen Bestehen nie geändert: Hilfe und Rat für Pflegebedürftige
und deren Angehörige aus den vier betei- ligten Gemeinden Söll, Scheffau, Ellmau und Going. Voraussetzung für die Inan- spruchnahme von Hauskrankenpflege, Heimhilfe, Hauswirtschaftsdienst und Essen auf Rädern ist ein Pflegegeldbezug, ein Antrag auf Pflegegeld oder eine ärzt liche Zuweisung.
Der Gesundheits- und Sozialsprengel ist ein gemeinnütziger und mildtätiger Ver- ein, der nicht gewinnorientiert handelt. Finanziert wird der Sprengel durch das Land Tirol, seinen Gemeinden und den Selbstbehalten der Klienten. Letzteres wird nach einem bundeslandweit gelten- den und vom Land Tirol jährlich festge- setzten Tarifmodell errechnet. 

Nach diesem Modell bezahlt jeder Klient für dieLeistungen einen Selbstbehalt, der vom Nettoeinkommen und von den anre- chenbaren Ausgaben abhängig ist. »Trotz seines Vereinsstatus muss der Sprengel wie ein Betrieb geführt werden«, fährt sie fort. »Sehr dankbar sind wir für die große Spendenbereitschaft einzelner Personen – beispielsweise Spenden bei Begräbnissen oder Firmenspenden bei der Aktion ›Spenden statt Senden‹. Die Selbsthilfe- gruppe für Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen finanziert sich un- ter anderem durch dieses Geld. Zudem können wir Heilbehelfe ankaufen und ohne Gebühren an Einheimische verlei- hen. Pflegebetten sind für die Dauer von 1,5 Jahren kostenlos, danach wird eine monatliche Verleihgebühr erhoben.«

»Jeder Mensch hat seine eigene Art, sein Leben zu gestalten. Jeder soll so akzeptiert werden, wie er ist.«

Laila Wagner,

Geschäftsführung Sprengel Söllandl

»Wir machen so viel wie möglich – brauchen aber auch die Hilfe der An- gehörigen. Ohne sie ginge es nicht.«

Manuela Schonner,

Pflegedienstleitung

WILDE KAISERIN
Sie beraten in allen Fragen der Pflege und Betreuung, das Erstgespräch ist unverbindlich und kos- tenlos. Gibt es dennoch eine Hemm- schwelle in der Bevölkerung, die Leis- tungen des Sozialsprengels in Anspruch zu nehmen?
MANUELA SCHONNER
Ich finde nicht, dass es eine Hemmschwelle gibt. Aber Angehörige leisten oft bis an die Gren- zen der eigenen Belastbarkeit Pflege und Hilfe, ehe sie Unterstützung durch den Sprengel suchen.
LAILA WAGNER
Wir bemühen uns um rasche Hilfe, aber es können einige Tage zwischen Anfrage und Erstgespräch ver- gehen. Ohne dieses Gespräch mit der zu betreuenden Person und/oder dessen Bezugsperson dürfen wir keine Leistun- gen erbringen. Wir sind verpflichtet, den Richtlinien des Landes Tirol Folge zu leisten. Es bedarf deshalb einer kleinen Vorlaufzeit, ad hoc ist wenig möglich. Eine Beratung kann jederzeit in An- spruch genommen werden.

SCHONNER
Kurzfristige Einsätze kön- nen wir daher schwer berücksichtigen, da alle unsere pflegerischen Leistungen mindestens eine Woche im Voraus ge- plant werden müssen. Es gibt ein Rad, eine Struktur, einen Plan. Wir bitten da- her um Verständnis, dass es einige Zeit an Planung und Organisation braucht, bis es von der ersten Anfrage zum Er- steinsatz kommt.
Haben wir eine ausgewogene Pflege – nicht nur aus medizinisch-pflegerischer, sondern aus allgemein sorgender Sicht?
SCHONNER
Ja, im Sprengel jedenfalls, da unsere pflegerischen Leistungen der- zeit keiner Zeitvorgabe für Tätigkeiten wie das Anziehen, Waschen, Blutdruck messen und so weiter unterliegen. In Deutschland wird beispielsweise nach den Leistungen abgerechnet, aber das ist bei uns nicht der Fall. Wir achten darauf, dass wir genügend Zeit einplanen – sodass weder Klient noch Mitarbeiter unter Zeitdruck stehen.

Wird die ein- geplante Zeit überschritten, begründen wir das natürlich in der Dokumentation. Hierbei kann auch festgehalten werden, dass der Klient noch ein Gespräch führen wollte. Es ist uns ein Anliegen, den Menschen so lange wie möglich bei den Aktivitäten des täglichen Lebens zu un- terstützen, zu fördern und zu beraten.
WAGNER
Entschließt man sich für den Sprengel Söllandl zu arbeiten, ist es da- her unerlässlich ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstständigkeit mitzubringen, weil man gegebenenfalls schnell und eigenständig Entscheidun- gen treffen muss. Man muss sich seiner Sache sicher sein.
Die 24-Stunden-Pflege ist eine Form der Hausbetreuung – abseits des Sprengels – und wird immer öfter von älteren Personen in Anspruch genommen. Wie sehen Sie diese Entwicklung im Allgemeinen?

WAGNER
Eine Rundumbetreuung durch die Angehörigen ist durch die heutige, geän- derte Familien- und Wohnsituation oft nicht mehr gegeben. Ein Verbleib in den eigenen vier Wänden wäre ohne 24-Stunden-Betreu- ung nicht möglich.
SCHONNER
Es gibt Krankheitsbilder, die diese rund um die Uhr Betreuung brauchen. Für diese Betreuungsart haben wir weder die nötige Struktur noch die personelle Kapazi- tät. Wir haben keine Nachtdienste, nachmit- tags sind wir nur in Einzelfällen im Einsatz. WAGNER Wir geben aber bei Bedarf gerne Adressen von regionalen Agenturen wei- ter. Diese sind bei Problemen greifbar und kümmern sich. Man muss bei diesem Thema aber ebenso berücksichtigen, dass eine Pfle- gerin im Haus oftmals Stress für die gepflegte Person und für pflegende Angehörige bedeu- tet. Das ist auf jeden Fall zu beachten, man muss die Optionen abwägen.

Jeden ersten Dienstag im Monat bietet der Sprengel eine kostenlose und mit Schwei- gepflicht versehene Selbsthilfegruppe für Angehörige von dementen Menschen an. Ist Demenz nach wie vor ein Tabuthema in der Gesellschaft?
WAGNER
Das ist unterschiedlich, wie Be- troffene und deren Angehörige mit der Er- krankung umgehen. Manche sprechen ganz offen darüber, andere nicht. Ein Tabuthema ist die Demenz aber – auch aufgrund der Häufigkeit – nicht mehr. In der Selbsthilfe- gruppe wird unter der Leitung von Maria Maier-Egger über die Krankheit informiert. Über deren unterschiedliche Verläufe und Stadien gesprochen. Auch bietet sich in der Gruppe die Gelegenheit, sich mit anderen Angehörigen auszutauschen. Über Gefühle, Ängste und Erfahrungen zu sprechen erachte ich als essentiell, da die Betreuung eines an Demenz erkrankten Angehörigen sehr an- spruchsvoll und fordernd ist.

Text: Alexandra Embacher Foto: GPhoto/ Martin Guggenberger

Saxophonspieler

Ein Mann , ein Hut , ein Sax

»Wenn ich Take Five spiele von Paul Desmond, da geht den Menschen das Herz auf. Das mögen die Jungen und die Alten. Diese Musik bringt die Leit zomm, sie verbindet«, schwärmt Max Kucera mit glänzen- den Augen, wenn er von dem größten Hit seines Idols spricht. Dass Max jedoch mit verantwortlich für ein Stück Ellmauer Volksmusik Geschichte ist, wissen heute nur noch die Wenigsten.

Man kennt ihn gut, den charmanten Mann mit Hut, der voller Leidenschaft seinem Saxophon die herrlich schwin genden und vibrierenden Töne der Jazz und Soul Musik entlockt. Ob an Hotelbars, Kunstaustellungen, Geburts- tagsfeiern und Jubiläen, überall ist Max Kucera anzutreffen. Woran das liegen kann? »Ich weiß es nicht, es ist einfach eine tolle Entwicklung und ich bin ext rem zufrieden!« lächelt Max mit einem leichten Schulterzucken. »Vielleicht liegt es daran, dass das Saxophon mo- mentan so wahnsinnig ›in‹ ist. Es ist einfach ein tolles Instrument. Ich bin ja heut noch verknallt in mein Sax!« versucht der Vollblutmusiker seinen Erfolg zu beleuchten. Und sieht man ihn sich heute so an, so kann es einem zugegebener Weise schon schwer fallen, sich Sax Max, wie er auch genannt wird, in Lederhosen vorzustellen. Doch warum das Pferd von hinten aufsatteln? Fangen wir von vorne an:

AN DER TÜR STANDEN DREI MANDA

Im Kopf des gebürtigen Grazers spielte die Musik stets die erste Geige. Nacheiner klassischen Ausbildung der Klarinette bei Professor Waldstätter in Graz, ging er zur Militärmusik. Direkt danach zum Profimusiker zu werden, war allerdings nie der Plan, »aber eines Tages hat es an der Tür geläutet und da standen drei ‚Manda‘, die dringend einen Saxophonisten suchten für ein Engagement am Ossiacher See. Sie zeigten mir die Verträge für die ganze Saison und die Gage, … das hat mir so imponiert und so wurde ich mit zweiundzwanzig Jahren zum Berufsmusiker.« In den folgenden zehn Jahren tingelten sie als Band »Silvermoon« durch ganz Europa. Die Musik führte sie von Österreich nach Deutschland, Italien, Holland, ja selbst in Warschau und Panama hatten sie Auftritte. »Damals in den 70er und 80er Jahren«, weiß Max zu erzählen, »da haben die großen Hotels viel Wert auf die Musik gelegt und größere Gruppen in fixen Engagements über ganze Saisonen beschäftigt, damit diese täglich die Gäste unterhielten.«AlsMax von der Zeit im Schlosshotel Velden am Wörthersee spricht, gerät er ins Schwärmen: »Einfach ein Traum, das war eins meiner schönsten Engagements!«

ES WAR WIE IN EINEM ROMAN

Aberauch die zwei Saisonen in Adelboden im Berner Oberland sind dem Musiker sehr gut in Erinnerung geblieben. War das doch der Ort an dem er seiner Frau Verena zum ersten Mal begegnet ist: »Wir haben im Goldenen Adler gespielt, als sie eines Tages mit diesen langen blonden Haaren im Raum stand. Ich hab mich total verschaut in diese Frau, es war wie in einem Roman.« erinnert sich Max an diesen Tag zurück. »Allerdings war sie nach diesem ersten Abend auch wieder verschwunden und ich dachte mir ›Das darf doch nicht wahr sein, jetzt ist die wieder weg!‹ Zwei Tage später lief ich die Dorfstraße entlang, als sie mir entgegen kam. Ich bin sonst nicht verlegen, aber da hab ich grad noch griaßen können und dann ist sie an mir vorbei gewesen. Und ich denk mir: ›Bist du ein Depp! Jetzt hättst sie miaßn onredn!‹ Und dann, am Nachmittag, beim Fünf Uhr Tee, ist sie plötzlich in dem Lokal gesessen wo wir gespielt haben, ganz allein. Ich hab so- fort zu meinen Kollegen gesagt: »Manda, jetzt gibt’s a Pause!« Max lacht bei dieser Erzählung auf und erklärt, dass es damals in der Schweiz sehr streng zuging. Da stand im Vertrag ganz genau drin, von wann bis wann Pause zu machen war. Aber das war ihm in diesem Moment egal. Er wusste, er musste diese Frau jetzt ansprechen und kennen lernen. Und so hat er trotz der Einwände seiner Kolle- gen das Instrument aus der Hand gelegt und ist schnurstracks auf seine zukünftige Frau zugegangen. »Und das hat bis heute gut gehalten!« schließt Max diese Erin- nerung und lehnt sich sichtlich zufrieden und mit einem Lächeln im Stuhl zurück.

MAN MUSS FLEXIBEL SEIN

Verena und Max waren schon verheiratet, als er mit der Berufsmusik aufhörte. In Rosenheim machte er eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann. »Da war ich schon über dreißig als ich zwischen den jungen Buam und Diandln auf der Schulbank saß. Aber die haben mich super angenommen und wählten mich sogar zum Klassensprecher. Der ›Oidi‹ passt uns guat, werden sie sich gedacht haben!« lacht er bei diesem Gedanken auf. Max weiß, wie wichtig es in seinem Leben war und ist, nie stehen zu bleiben und sich stets Neues anzueignen. Er musste sich eine neue Existenz aufbau- en, und da »muss man flexibel sein«. Er bekam eine Anstellung bei der Firma Wolford. Es waren viele Bewerber und er hätte den Job sicherlich nicht gekriegt, wenn ich nicht den Kaufmann gemacht hätte, erzählt er, doch dann schmunzelt er und spricht etwas leiser weiter: »… aber der Direktor, der war auch ein Musikfan und ich habe mit ihm eine halbe Stunde lang über die Musik und das Saxophon gesprochen und durfte die nächsten siebzehn Jahre, von feschen Frauen umgeben, diese wunderbaren Strümpfe verkaufen und daneben habe ich Musik gemacht!«

DAS IST EIN REIFEPROZESS

Von Ellmau und seinen schönen Bergen und »herrlichen Platzerln« angezogen, baute sich die junge Familie hier ein Nest. Allerdings musste sich Max nun überlegen, wie seine musikalische Zukunft weiterge- hen sollte und stieß eines Tages auf den Holzer Edi und den Friedl Fritz. Gemeinsam gründeten sie das »Original Ellmauer Trio«. Wenn Max zurück denkt, an seinen bereits verstorbenen Freund, Edi, und die gemein- same Zeit mit der Band, wird seine Stimme leise und nachdenklich: »Wir waren un- heimlich beliebt. Haben sechs Platten auf- genommen – waren super im Geschäft. Die Zeit hat mich sehr geprägt. Es können sich heute viele nicht mehr vorstellen, dass ich einmal Volksmusik gemacht habe, aber ich bin der Meinung, jede Musik hat ihre Be- rechtigung, wenn sie gut gemacht ist. Und es ist ein Reifeprozess, denn man lernt ja nie aus mit der Musik. Es war eine schöne Zeit, die ich nie vermissen möchte.«

IMMER AUF DER SUCHE

In New Orleans war er noch nie. Aber das steht noch weit oben auf der Wunschliste und auch eine dritte eigene Sax CD, wo er eigene Kompositionen verwirklichen möchte. Aber diese soll nicht so jazzig und bluesig werden, sondern deep house mit Sax. Das sind ganz rhythmische moderne Stücke auf die er jetzt so richtig Lust hat, erklärt Max, der nie auf den Gedanken käme, sich auf seinen Lorbeeren auszu- ruhen. Zusammen mit einem großartigen Komponisten arbeitet er an den neuen Nummern. »Ich bin immer auf der Suche. Denk mir immer, ist das jetzt das Richtige, was ich da aufnehme? Was soll ich sagen? Musik ist einfach mein Leben. Ich werde das nie lassen können.«

Text: Simone Embacher
Foto: GPhoto/Martin Guggenberger